3. Februar 2023

Symbolische Briefübergabe der Landwirte an Abgeordnete gegen die ICE Trasse

Frank Schäffler (FDP), Achim Post (SPD), Robin Wagener (Grüne), Stefan Schwartze (SPD), Hermann Dedert (Kreisverbandsbvorsitzender Herford Bielefeld), Matthias Lampenscherf (Kreisverband Lippe) und Rainer Meyer (Kreisverband Minden-Lübbecke und stellvertretender Bezirksverbandsvorsitzender OWL) sind geschlossen für den Ausbau der Trasse und lehnen den Neubau grundlegend ab!
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Deutschlandtakt mit Augenmaß: Keine neue ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld auf Kosten der Landwirtschaft!

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

 

wir wenden uns an Sie und gegen den Neubau einer ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld.

 

Wir, das sind die Landwirtinnen und Landwirte dieser Region in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Ihre Garanten der Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln.

Sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages werden eines Tages über diese ICE-Strecke Hannover-Bielefeld per Gesetz statt Planfeststellungsbeschluss entscheiden!

 

Wir wollen einen Ausbau der Bestandsstrecke zur Verbesserung des Schienennetzes sowie der Taktung an den Knotenpunkten.

 

Wir wenden uns aber gegen den Neubau einer ICE-Trasse über unsere Felder, um 17 Minuten Fahrzeit zwischen Hannover und Bielefeld einzusparen.

 

Den laufenden Planungsdialog der Deutschen Bahn zu diesem Projekt empfinden wir mittlerweile als Farce! Die Deutsche Bahn hat ein sog. Plenum eingerichtet und „informiert“ darin die Betroffenen. Die Informationen bestehen darin, dass man mit Daten, Zahlen, Statistiken und Bewertungskriterien überhäuft wird. Allein wegen des Umfangs müsste man sich in Vollzeit damit auseinandersetzen und auch im Übrigen benötigte man ein Heer an Juristen und Sachverständigen, um diese Informationen selbst zu bewerten. Das kann kein normaler Mensch leisten. Aber: „Wir haben die Öffentlichkeit frühzeitig eingebunden und umfassend informiert.

 

Allein der angebliche Grundsatz, man werde offen und ohne Vorab-Festlegungen in die öffentliche Diskussion gehen, ist ad absurdum geführt, wenn im gleichen Atemzug gesagt wird, dass aber der Deutschlandtakt mit 31 Minuten Fahrzeit erfüllt werden müsse. (Egal wie weit Hannover und Bielefeld auseinanderliegen?) Hier wird ein Mitspracherecht suggeriert, das aus unserer Sicht überhaupt nicht besteht.

 

Im Suchraum für die ICE-Trasse liegen in Niedersachsen der Landkreis Schaumburg, Teile der Region Hannover, des Landkreises Hameln-Pyrmont sowie marginal des Landkreises Nienburg. In Nordrhein-Westfalen sind Teile der Landkreise Minden-Lübbecke, Lippe und Herford sowie die Stadt Bielefeld betroffen. Mehr als 1.100 landwirtschaftliche Betriebe liegen in diesem Suchraum.

 

Nach derzeitiger grober Schätzung werden inklusive der benötigten Böschungs- und Abstandsflächen ca. 350 bis 400 ha für einen Trassenneubau benötigt. Genaue Werte sind nach jetzigem Kenntnisstand nicht abschätzbar und könnten auch je nach Geländerelief noch höher liegen.

 

Hinzu kommt ein Mehrfaches dieser Fläche, die als Ausgleichs- und Kompensationsflächen der Landwirtschaft ebenfalls verloren gehen oder auf denen zumindest nur eine beschränkte Bewirtschaftung möglich ist.

 

Die durchschnittliche Betriebsgröße in Ostwestfalen-Lippe (NRW) beträgt ca. 50 ha. Allein für den Neubau einer Bahntrasse ohne Berücksichtigung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verlieren daher statistisch ungefähr 8 landwirtschaftliche Betriebe ihre Existenzgrundlage. In Deutschland ernährt ein(e) Landwirt(in) statistisch gesehen 139 Menschen (Quelle BLE; 2022). Damit entfällt die Nahrungsmittelerzeugung für ca. 1100 Menschen jährlich. 8 Betriebe mögen Ihnen nicht viel erscheinen, aber es geht auch um Familienexistenzen, die nicht geopfert werden müssen, wenn von Seiten der Deutschen Bahn die möglichen Alternativen zu den 31 Minuten ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

 

Ziel des Deutschlandtaktes ist es, unter anderem die Fahrzeit von Hannover bis Bielefeld auf bis zu 31 statt 48 Minuten zu senken. Allein für diesen vergleichsweise kleinen Streckenabschnitt innerhalb Deutschlands will man also für jede zweite Minute Fahrtzeitverkürzung mindestens einen gesamten landwirtschaftlichen Betrieb bzw. die Nahrungsmittelgrundlage für 139 Menschen opfern!

 

Wir als Landwirtinnen und Landwirte in den genannten Landkreisen und Kommunen stehen einer Verbesserung der Attraktivität des Bahnverkehrs und damit des Klimaschutzes keinesfalls entgegen, fordern aber mit Blick auf den großen Verbrauch an Freiflächen mehr Augenmaß bei der Umsetzung dieses Milliarden-Infrastrukturprojektes. Dazu gehört es, die bereits vorhandene Strecke und deren Infrastruktur weiter zu nutzen, um den Flächenverbrauch zu minimieren. Außerdem steht eindeutig fest, dass ein Ausbau der Bestandsstrecke auch zu einer Verringerung der Fahrzeit auf 39 Minuten führen würde. Und dies ließe sich gut in einen alternativen Takt integrieren. Dies haben unabhängige Untersuchungen gezeigt.

 

Auch das Thema Klimaschutz wird mit einem Neubau der Bahntrasse ad absurdum geführt. Beim Bau würde so viel CO2-Äquivalent in die Atmosphäre gelangen, dass die Züge lange, lange fahren müssten, um dieses zu neutralisieren.

 

Durch den Trassenneubau gehen den landwirtschaftlichen Betrieben in den betroffenen Regionen hochwertige landwirtschaftliche Flächen dauerhaft verloren. Der Einwand, dieses sei nicht zu vermeiden, geht fehl, denn:

·         Flächen gehen nicht nur für die Grundfläche der ICE-Trasse verloren, sondern auch durch die Zerschneidung und Anschneidung bestehender Acker- und Grünlandschläge in unwirtschaftliche Restflächen.

·         Je mehr Fläche für einen Trassenneubau benötigt wird, desto mehr Flächen werden zusätzlich als Ausgleich für den Eingriff in Natur- und Landschaft benötigt.

·         Ein neuer Trassenverlauf führt dazu, dass bestehende Straßen- und Wegenetze zerschnitten werden, die ihrerseits durch die Schaffung neuer Straßen und Wege wiederhergestellt werden müssen. Dieses führt zudem nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe - auch unter Umweltgesichtspunkten- zu unerwünschten Umwegen.

 

Besonders einschneidend ist es, wenn viehhaltende Betriebe ihre hofnahen Weideflächen verlieren und dadurch eine Weidehaltung dauerhaft unmöglich gemacht wird.

 

Die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine haben uns allen die Wichtigkeit von Versorgungssicherheit und Autarkie in Deutschland und der Europäischen Union vor Augen geführt. Die Erhaltung unserer Acker- und Grünlandflächen ist ein wesentlicher Baustein, um die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern und Verbraucherpreissteigerungen entgegenzuwirken. Zudem benötigt auch ein - offenbar gesellschaftlich gewünschter - größerer Anteil der ökologischen Landwirtschaft für die gleiche Versorgungsleistung deutlich mehr Flächen.

 

Verschärfend – neben dem ohnehin ungebremst voranschreitenden Flächenfraß durch Siedlungstätigkeit - wirkt nun auch die zusätzliche Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen infolge des politisch geforderten Ausbaus erneuerbarer Energien, insbesondere durch Freiflächen-Photovoltaik- und Windkraftanlagen.

 

Leider sehen wir im bisherigen Planungsdialog die Notwendigkeit einer Minimierung der Flächeninanspruchnahme nicht angemessen berücksichtigt. Natürlich wissen wir, dass auch für einen Ausbau der Bestandstrasse Flächen in Anspruch genommen werden müssen. Dennoch sehen wir diesen Eingriff als deutlich weniger einschneidend an als einen Trassenneubau, der dann zusätzlich an anderer Stelle zu einer gänzlichen Zerstörung vorhandener Strukturen führt.

 

Daher appellieren wir an Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages – auch wenn Sie nicht aus der Region kommen - sich dafür einzusetzen, dass vorrangig ein Ausbau der Bestandstrasse statt einer Neubautrasse zwischen Hannover und Bielefeld angestrebt wird. Denn was nützt uns der Deutschlandtakt, wenn am Ende der Schaden durch den Verlust von landwirtschaftlichen Nutz- und Freiflächen sowie die Zerstörung von Natur und Landschaft größer ist, als sein Nutzen?

 

Selbstverständlich stehen Ihnen unsere Verbände, aber auch die Bäuerinnen und Bauern in den betroffenen Regionen jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Ihre Bäuerinnen und Bauern

einer ganzen Region

zwischen Hannover und Bielefeld

 

 

gez. Rainer Meyer, WLV-Kreisverband Minden-Lübbecke                                                    

gez. Karl-Friedrich Meyer, Landvolk Niedersachsen Bauernverband Weserbergland e.V.

gez. Hermann Dedert, WLV-Kreisverband Herford-Bielefeld                                         

gez. Achim Pohl, Landvolk Niedersachsen                                                                           Kreisverband Schaumburg

 

gez. Dieter Hagedorn

WLV-Kreisverband Lippe