4. März 2021

Wie geht es weiter mit der heimischen Tierhaltung?

Minden-Lübbecke /WLV (Re) Wie geht es weiter mit der heimischen Tierhaltung? Um diese Frage drehte sich eine digitale Informationsveranstaltung in des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Minden – Lübbecke am Dienstagabend mit über 40 Teilnehmern. Als prominenter Gast der Videokonferenz zugeschaltet war der ehemalige Landwirtschaftsminister Jochen Borchert. Er stellte seine Pläne vor, die nach ihm benannten „Borchert-Vorschläge" und berichtete von der Machbarkeitsstudie, die an dem Dienstag (2. März) von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihm vorgestellt wurde.

Landwirtschaftlich zwischen Marktrealität und Verbraucherwunsch

Die Erzeugerpreise sind für die Bauern nicht ausreichend. „Andererseits stehen die Tierhalter vor der Herausforderung durch gesetzliche Vorgaben und durch gesellschaftliche Ansprüche die Ställe tierwohlgerechter umzubauen", führt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Minden-Lübbecke Rainer Meyer am Abend ein. Hohe Standards und Preise auf Weltmarktniveau passten aber nicht zusammen. Höhere Ansprüche an die Landwirtschaft, an die Tierhaltung kosteten mehr Geld und es werde leider nicht an der Ladenkasse vom Verbraucher zu erzielen sein. Meyer verdeutlicht: „Wir reden hier nicht von einem Wunschkonzert. Wir müssen mit unseren Familien von unseren Erzeugnissen, von unserer Arbeit, leben können." Mit den Borchert – Vorschlägen gäbe es eine Möglichkeit. Diese seien zusammen mit Landwirten, Tierschützern, Naturschützern, Vermarktern und Politikern erarbeitet worden. So eine Allianz habe es bisher nicht gegeben. Die „Borchert-Kommission" biete Pläne für eine akzeptierte, zukunftsfähige Tierhaltung, bringt es Meyer auf den Punkt. „Für uns Bauern sind sie eine Chance, wenn die Finanzierung dafür sichergestellt wird", untermauert der Landwirtevorsitzende. „Denn wir werden die jungen Leute nur auf den Höfen halten, wenn sie und ihre Familien von ihrer Arbeit leben können." Er erläutert weiter, dass es bei den Plänen auch noch offene Punkte gäbe: „Wie sieht es beispielsweise mit der Langfristigkeit aus?"

Ex-Minister Jochen Borchert berichtete von den aktuellen Ergebnissen der Machbarkeitsstudie zu den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung. So seien sich Ministerin Klöckner, Jochen Borchert sowie die Ersteller der Studie einig, dass die geplanten Maßnahmen für einen Umbau der Nutztierhaltung geeignet seien. In der Machbarkeitsstudie bewerteten Experten die Varianten, um einen Umbau zu finanzieren. Infrage kommen eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte, die Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer. Schwerpunkt der Studie war die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit nationalen und europäischen Vorgaben. Rainer Meyer bewertet am Abend, dass jeder der drei Wege bestimmte Vor- und Nachteile habe.

Bauern brauchen tragfähiges langfristiges Finanzierungskonzept

Stefan Schmidt, Junglandwirt, stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender und, Mitglied der Borchert- Kommission macht deutlich: „Wir sehen in der Machbarkeitsstudie die Vorschläge der Borchert-Kommission bestätigt und das sie ein Weg sein können." Im Vordergrund steht für den Berufsstand allerdings, einen Umbau überhaupt baurechtlich möglich zu machen sowie ein tragfähiges langfristiges Finanzierungskonzept. „Viele Bauern stehen in den Startlöchern, wir brauchen aber dringend Planungssicherheit", betont Stefan Schmidt. Entscheidend sei eine langfristige Verlässlichkeit der vorgeschlagenen Tierwohlprämien, bekräftigt stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender Joachim Schmedt und stellt klar: „Sechs oder sieben Jahre sind keine verlässliche Grundlage. Zudem sind für die vereinnahmten Mittel eine langfristige Zweckbindung erforderlich, damit das Geld dauerhaft beim Landwirt ankommt."

Meyer unterstreicht, dass der im Gutachten erwähnte Verlust von Fördermöglichkeiten bei Anhebung nationaler gesetzlicher Standards vermieden werden müsse. In jedem Fall müsse die Differenz zwischen niedrigeren EU-Vorgaben und den zukünftig sehr hohen heimischen Standards durch Förderprogramme ausgeglichen werden können. Ansonsten drohe ein Verlagern der Tierhaltung ins Ausland.

Baurechtlich muss es möglich sein

Für absolut richtig hält der Berufsstand die Forderungen der Studie zum Baurecht für Tierwohlställe. „Unsere langjährige Forderung wird bestätigt, dass das Bau- und Umweltrecht gemeinsam mit den fachrechtlichen Vorgaben zur landwirtschaftlichen Tierhaltung gehen muss und dem darüber hinausgehenden Umbau der Tierhaltung nicht im Wege stehen darf", so Schmedt.

In der Diskussion am Abend wurden Bedenken geäußert, das einiges bei den Borchert-Vorschlägen angedacht, aber noch nicht zu Ende gedacht sei. Eine Frage kam auf, wie es denn am Ende laufen würde, wenn es dieses System aus irgendwelchen Gründen nicht mehr gebe. Die Landwirte blieben doch dann wieder auf die Kosten sitzen? Es wurde deutlich, dass die Borchert-Pläne ein Weg sein könnten, aber das die kritischen und offenen Punkte noch im Blick genommen werden müssten.

Meyer untermauert abschließend: Die Vorschläge für eine tierwohlgerechte Haltung und auch eine Machbarkeitsstudie seien da. Doch es gebe noch Unbekannte, die zügig geprüft und geklärt werden müssten. Die Politik müsse sich zudem schnell für einen Weg entscheiden. „Denn wir Landwirte müssen endlich wissen wie es mit unseren Betrieben weitergehen soll."

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