9. Juni 2022

Was essen wir in der Zukunft?

Ruhr-Lippe (wlv). „Wie könnte die Ernährung der Zukunft aussehen?", eine Frage, die die heimischen Landwirte in großer Zahl in den Freischütz nach Schwerte zog. Rund 450 Bauern, Bäuerinnen sowie weitere Gäste waren am Mittwochabend zum Kreisverbandstag, zu dem die Landwirtschaftlichen Kreisverbände Ruhr-Lippe (Kreis Unna, Städte Bochum, Dortmund, Hamm und Herne) und Ennepe-Ruhr/Hagen eingeladen hatten, zusammengekommen. Die Referenten Prof. Dr. Wilhelm Windisch (Lehrstuhl für Tierernährung an der TU München), Dr. Malte Rubach (Ernährungswissenschaftler) und Prof. Dr. Nick Lin-Hi, (Professur für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta) verstanden es, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Moderiert wurde die Diskussion von Patrick Liste, Chefredakteur des Landwirtschaftlichen Wochenblattes.

Landwirtevorsitzender Hans-Heinrich Wortmann machte in seiner Begrüßung auf die Notwendigkeit einer gesicherten heimischen Nahrungsmittelversorgung aufmerksam: „In Zeiten von Pandemie und Kriegsauswirkungen ist die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln stärker in den Fokus gerückt." Er zeigte aber auch auf, dass das Bekenntnis zur Regionalität vielfach beim Einkauf Grenzen habe. „Das sehen wir aktuell besonders bei Erdbeeren und Spargel; der Ware aus Nachbarländern, die günstiger erzeugt werden kann, wird nicht selten der Vorzug gegeben," so Wortmann.

„Wir stehen vor einer Revolution. Mit Fleisch aus dem Labor steht eine Technologie in den Startlöchern, welche alles verändern wird", so stellte Prof. Dr. Nick Lin-Hi gleich zu Anfang eine provokante These auf. Landwirtinnen und Landwirte seien gut beraten, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass das letzte Jahrzehnt der Nutztierhaltung zur Erzeugung von Lebensmitteln bereits angebrochen sei. „Echtes Fleisch wächst in Zukunft nicht mehr am Tier, sondern im Labor," so Lin-Hi.

Ganz anderer Meinung war Prof. Dr. Wilhelm Windisch. „Wir brauchen auch in Zukunft ein Gleichgewicht zwischen Pflanzenbau und Tierhaltung", sagte er. Ein Kilogramm vegane Biomasse erzeuge mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse, so Windisch. So gebe es in der Verarbeitung vieler Nahrungsmittel Nebenprodukte, die zwar dem Tier, aber nicht dem Menschen als Nahrung dienen könnten. Als Beispiel nannte er Rapsöl. Beim Pressen der Rapskörner falle - neben dem für die menschliche Ernährung geeigneten Öl - zu mehr als 50 Prozent Rapsschrot an. Das sei nicht für die menschliche Ernährung geeignet, aber ein gutes Futtermittel für Tiere. Zudem gebe es Koppelprodukte wie Stroh. Auch in einer gesunden Fruchtfolge gebe es neben Nahrungsmitteln Kulturen, die Futterpflanzen seien. Und absolutes Grasland, das nicht ackerfähig sei, sei ausschließlich durch Wiederkäuer wie Rinder, Schafe oder Ziegen zu verwerten. „Wir dürfen diese wertvolle Biomasse nicht verschwenden", appellierte er. Die Landwirtschaft müsse im Gleichgewicht stehen und die Erzeugung von Nahrungsmitteln und die Verwertung der Biomasse in der Reihenfolge Teller, Trog und dann Tank erfolgen. Das bedeute, zuerst müsse man möglichst viel an pflanzlichen Lebensmitteln erzeugen. Die nicht-essbare Biomasse, die dabei automatisch anfalle, sollten wir an Nutztiere verfüttern, sagte er. Und was dann noch übrigbleibe, komme in die Biogasanlage. „Auf diese Weise erzeugen wir aus einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche die meiste Menge an Nahrung, bei einem Minimum an Emissionen und einem Maximum an Nachhaltigkeit", so Prof. Windisch.

Dr. Malte Rubach, der digital zugeschaltet war, lenkte den Blick besonders auf die Klimawirksamkeit der Ernährung. Obwohl andere Faktoren, wie beispielsweise die Nutzung fossiler Energien deutlich klimawirksamer seien, könne man auch mit der Ernährung einen Beitrag leisten. „Wenn wir mehr Gemüse und Hülsenfrüchte und weniger Fleisch und Getreide essen, wirkt sich das positiv auf die Klimabilanz aus," sagte er. Der absolute Verzicht auf tierische Lebensmittel sei aber nicht die Lösung. Vielmehr solle man mehr regionale und saisonale Lebensmittel essen, mehr Leitungswasser und weniger abgefüllte Getränke trinken und mehr selbst kochen.

Hoher Flächenverbrauch in der Region
„Beständiges Thema unserer Region bleibt der Flächenverbrauch", sagte der Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Heinz-Wilhelm Büscher.
Für Gewerbegebiete sowie den Aus- und Neubau von Straßen oder LKW-Rastplätzen würden in großem Umfang Flächen benötigt. Auch der Bedarf an Kompensations-flächen stoße an die Grenzen der Verfügbarkeit „Passt das noch alles in die Zeit?", stellte er die Frage. Ackerflächen seien wertvolle Flächen für die Erzeugung von Nahrungsmitteln und nicht vermehrbar.

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