Zukunft für die Bauern?
Ruhr-Lippe (wlv). „Der Strukturwandel ist dramatisch! In den letzten 20 Jahren haben wir in der Region Ruhr-Lippe fast die Hälfte der tierhaltenden Höfe verloren", sagte der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe Hans-Heinrich Wortmann im Rahmen eines Pressetermins zur Zukunft der Landwirtschaft in der Region Ruhr-Lippe (Kreis Unna, Bochum, Dortmund, Hamm und Herne). Das Höfesterben dürfe so nicht weitergehen und erst recht nicht - wie zu befürchten sei - noch an Fahrt zunehmen, so der Landwirtevorsitzende.
„Unsere Landwirtschaft in der Region Ruhr-Lippe liegt in der Verantwortung unserer bäuerlichen Familien, wir haben hier keine industriellen Strukturen", sagte er. Wenn Politik diese Art der Landwirtschaft erhalten wolle, dürfe sie den Bäuerinnen und Bauern nicht durch immer mehr, immer höhere und teilweise auch unpraktikable Auflagen die Existenzfähigkeit nehmen, so Wortmann.
Berliner Politik mit Auswirkungen auf die Region
Der neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir habe die Honorierung der Arbeit der Bäuerinnen und Bauern in der letzten Woche in den Mittelpunkt seiner ersten Bundestagsrede gestellt. „Dass er erkannt hat, dass die Bauernfamilien auch von ihrer Arbeit leben müssen und dass zusätzliche Leistungen nicht ohne Beteiligung der Gesellschaft von der Landwirtschaft gestemmt werden können, freut uns Landwirte natürlich," sagte Wortmann. Bei der Agrarkonferenz des Umweltministeriums am Dienstag dieser Woche hätten beide Ministerien in Allianz - Umwelt und Landwirtschaft - allerdings auch viele neue Auflagen angekündigt. Nun sei es wichtig, dass die Politik nicht auf halbem Wege stecken bleibe, die Auflagen durchsetze, aber die Landwirte alleine auf den Kosten sitzen lasse.
Große Unsicherheit
Die Bäuerinnen und Bauern hätten sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, um vieles weiterzuentwickeln und die Zukunft möglichst nachhaltig zu gestalten. Derzeit herrsche aber eine große Unsicherheit bei den Bauernfamilien, weil sie nicht abschätzen könnten, was für die Zukunft trage. Als Beispiel nannte Wortmann den Umbau der Schweineställe zu Außenklimaställen, womit sich aktuell auch in der Region Ruhr-Lippe viele Landwirte beschäftigten. Das sei mit nicht unerheblichen Umbaukosten und auch entsprechenden Folgekosten verbunden. Landwirte könnten sich das nur leisten, wenn den Ausgaben irgendwann Einnahmen entgegenständen. Besonders jungen Leute, die auf der einen Seite sehr motiviert und auch gut ausgebildet seien, auf der anderen Seite aber aufgrund der unsicheren Situation sich vor großen Investitionen scheuten, würden die Perspektiven fehlen, sagte Wortmann.
Keine einfachen Lösungen
Landwirtschaft und damit die Arbeit in der Natur sei zudem sehr komplex, sagte Wortmann. Es gebe häufig keine einfachen Lösungen, wie sie Politik gerne verkaufe. Es gebe selten nur gut oder schlecht, sondern vieles müsse abgewogen werden. Als Beispiel nannte er das Thema Pflanzenschutz. Ein Verzicht auf Herbizide bedinge stärkere mechanische Unkrautbekämpfung. Der positive Ansatz, weniger Pflanzenschutzmittel auszubringen bedeute auf der anderen Seite einen höheren CO2-Ausstoß und sei zudem negativ für Bodenbrüter oder Feldhasen, was besonders in unserem Vogelschutzgebiet Hellwegbörde ein Problem sei.
Die von beiden Ministerien anvisierten 30 Prozent Ökolandbau bräuchten zuerst die entsprechende Nachfrage. „Wenn die Produkte im Laden liegen bleiben, hilft das nicht", sagte Wortmann. Erst wenn der Absatz da sei, mache es Sinn, auch das Gewünschte zu erzeugen.
Hat die bäuerliche Landwirtschaft noch eine Chance?
Abschließend blickte Wortmann in die etwas weitere Zukunft. „Werden wir auch in 20 Jahren noch eine familiengeführte Landwirtschaft in der Region haben?", fragte er. Diese Form der Landwirtschaft sei nach seiner Einschätzung die nachhaltigste, denn sie sei von einem hohen Maß an Verantwortung und viel Idealismus geprägt. „Wir hoffen schon, aber sicher ist das überhaupt nicht", sagte er. Nur wenn die Familien ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft erwirtschaften könnten, sei der Fortbestand dieser Form der Landwirtschaft realistisch.
Auch die Versorgungssicherheit sei ein wichtiger Faktor, sagte er. „Je weniger wir hier selbst erzeugen, umso mehr muss importiert werden", so Wortmann. Auf Haltung und Anbau hätten wir dann deutlich weniger Einfluss und zudem sei es ein hohes Risiko sich in der Nahrungsmittelversorgung zu stark abhängig zu machen.
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