8. März 2018

Kompensationsmaßnahmen im Kreisgebiet

Die Versiegelung von Flächen fordert einen ökologischen Ausgleich. So will es das Gesetz: Sobald eine Straße gebaut, ein Gewerbegebiet geschaffen oder Wohngebiete ausgewiesen werden, muss an anderer Stelle dieser Eingriff in die Natur ausgeglichen werden. Was einfach klingt, wird in der Praxis oft zäh verhandelt. Denn Fläche als kostbares Gut gibt niemand freiwillig her. Umso wichtiger ist daher die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. Und so trafen sich auf Einladung des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes und der Sparkasse Münsterland Ost im Sparkassenforum Warendorf Landwirte, Kreisverwaltung, kommunale Vertreter und Wirtschaftsförderer, heimische Landtagsabgeordnete sowie Bauherren und Architekten.

„Wir Landwirte haben in den vergangenen 25 Jahren 1.250 ha landwirtschaftliche Nutzfläche verloren. Aktuell erwarten wir Eingriffe in unsere Flächen durch die Ertüchtigung der DB-Strecke Münster-Bielefeld und der WLE-Strecke, durch verschiedene Vorhaben des Bundesverkehrswegeplans sowie neue Bau- und Gewerbegebiete in den Kommunen“, machte Hermann-Josef Schulze-Zumloh die Situation der Landwirte deutlich. Der Kreisverbandsvorsitzende kritisierte, dass beim Eingriff in die Fläche vom Gesetzgeber die agrarstrukturellen Belange wenig bis gar nicht berücksichtigt würden. Er forderte dazu auf, zeitgleich mit einer Eingriffsmaßnahme, etwa beim Straßenbau, die Ausgleichsmaßnahmen mit allen Beteiligten verträglich zu planen.

Landes-, Bundes- und EU-Recht regeln präzise, wie die Eingriffe in Natur und Landschaft, für Bauvorhaben oder bei artenschutzrechtlichen Konflikten ausgeglichen werden müssen. „Bei uns hat sich das Warendorfer Modell bewährt“, so Baudezernent Carsten Rehers: Das vereinfachte Modell bewertet einen Ausgangs- und einen Zielwert. Der Berechnung von Eingriff und Ausgleich wird als „Währung“ die Ökologische Werteinheit zugrunde gelegt: 1 m² Acker hat die Ökologische Werteinheit von 0,3 ÖWE. 1m² Obstwiese hat 1,1 ÖWE. Werden also 1.000 m² Acker bebaut, kann ein Ausgleich durch 273 m² Obstwiese erreicht werden. „Im Warendorfer Modell gibt es Wertzuschläge bei Maßnahmen für Naturschutzgebiete, zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, bei Artenschutz und Biodiversität sowie zur Entsiegelung“, so Rehers. Und: Wer mit Maßnahmen in Vorleistung tritt, kann diese auf Ökokonten gutschreiben lassen für spätere Maßnahmen. Ausgleichflächen und Ökokonten werden in einem kreiseigenen Kompensationskataster geführt mit dem Ziel, Maßnahmen für den Natur- und Landschaftsschutz effektiv zu koordinieren und möglichst wenig Landwirtschaftsfläche zu beanspruchen. „Das gelingt am besten mit produktionsintegrierten Maßnahmen, bei denen die landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten bleibt und danach extensiv bewirtschaftet wird“, so Wolfgang König, Geschäftsführer der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft. Beispiele seien Blühstreifen, Selbstbegrünungsbrachen oder auch Feldgrasstreifen. Insbesondere der Artenschutz profitiere von dieser Form des Ausgleichs, etwa Feldlerche und Kiebitz.

Ausgleichsmaßnahmen an Gewässern stellte Moritz Hillebrand vom Landwirtschaftlichen Kreisverband vor. Diese seien keineswegs freiwillig, sondern Pflichtaufgaben und ergeben sich aus der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und dem deutschen Wasserhaushaltsgesetz: Sie fordern für Gewässer einen „guten ökologischen und chemischen Zustand“. Entsprechende Maßnahmen werden auf Kreisebene erarbeitet und umgesetzt – so geschehen am Brüggenbach und am Wieninger Bach. Dabei können einzelne Gewässerabschnitte baulich umgestaltet oder auch eigenen Entwicklungsprozessen überlassen werden. „Kompensationsmaßnahmen an Gewässern sind dank der Biotopverbundfunktion qualitativ hochwertig und haben nur einen geringen Flächenverbrauch“, so Hillebrand.
Als Mit-Gastgeber der Informations- und Diskussionsveranstaltung zeigte die Sparkasse Münsterland Ost Verständnis für die Situation der Landwirte. „Als Partner unserer landwirtschaftlichen und gewerblichen Kunden wissen wir um die Bedeutung der Flächen als Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung und den langfristigen Erfolg des einzelnen Landwirtes. Deshalb ist ein Abend wie dieser für den konstruktiven und lösungsorientieren Austausch wichtig“, unterstrichen Sparkassen-Vorstand Klaus Richter und Geschäftsbereichsleiter Bernd Münstermann. Landrat Dr. Olaf Gericke betonte: „Die Niedrigzinsphase hat einen Bauboom ausgelöst und den Druck auf die Fläche weiter verschärft. Darüber hinaus haben etwa Reiter, Jäger oder Tourismus unterschiedliche Interessen. Ein Gegeneinander nützt niemandem. Daher begrüße ich es sehr, dass wir in unserem Kreis gemeinsam so offensiv über dieses Thema sprechen“. 


Das Bild zeigt die Referenten und Gastgeber der Veranstaltung (v.li.): Baudezernent Carsten Rehers, Hermann-Josef Schulze-Zumloh (WLV-Kreisverbandsvorsitzender, Moritz Hillebrand (WLV-Kreisverband), Klaus Richter (Sparkassen-Vorstand), Wolfgang König (Geschäftsführer Stiftung Westf. Kulturlandschaft), Karl Werring (Präsident Landwirtschaftskammer), Bernd Münstermann (Geschäftsbereichsleiter Sparkasse Münsterland Ost), Landrat Dr. Olaf Gericke und Peter Scholz (Sparkassen-Vorstandsmitglied).