1. Oktober 2021

Erntegespräch mit Landrat Dr. Schulze Pellengahr

Es ist guter Brauch, dass im Kreis Coesfeld im Herbst der Eingangsbereich des Kreishauses durch Vertreter der Landwirtschaft zum Thema „Erntedank" gestaltet wird. Traditionell ist für die Landwirte im Kreis nun auch die Zeit, um eine Erntebilanz zu ziehen und insgesamt auf das zurück zu schauen, was die Landwirtschaft in den letzten Monaten bewegt hat.
So trafen sich am Freitag, 1. Oktober, Michael Uckelmann, Martin Bontrup, Benedikt Selhorst, Elmar Kolve, Felix Wierling, Annegret Langehaneberg, Marianne Lammers, Melanie Grothues und Raphael van der Poel, um mit Dr. Schulze Pellengahr über aktuelle Themen und die vergangene Ernte gesprochen.

Situation auf den Höfen & landwirtschaftliche Märkte

Die Stimmung in der Landwirtschaft ist aktuell deutlich schlechter, als es das Ergebnis der Ernte erwarten lässt. Hierfür gibt es aus Sicht des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands sowohl wirtschaftliche als auch politische Gründe: Als Folge der Corona-Pandemie leiden wichtige Zweige der Landwirtschaft unter erheblichen Absatzproblemen. Desaströs ist die Lage bei den Schweinehaltern, die zusätzlich durch die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Ostdeutschland und einen dramatischen Verfall der Erzeugerpreise betroffen sind. Strukturell leidet die gesamte Landwirtschaft unter der marktbeherrschenden Stellung des deutschen Lebensmitteleinzelhandels innerhalb der Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln. Vor diesem Hintergrund kritisiert der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband die Unfähigkeit der Bundesregierung, die Umsetzung höherer Tierwohl-, Umwelt- und Naturschutzstandards auf den Höfen durch Gesetzesnovellen zu ermöglichen und klare Perspektiven für die Branche aufzuzeigen.

Rindermarkt
Während die Rinderpreise in 2020 auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten abgestürzt waren, zeigt sich die Preisentwicklung in 2021 deutlich positiver. Nach dem erneuten Corona-Lockdown Anfang 2021 wurde die Rindfleisch-Nachfrage durch die Öffnung, der für den Rindermarkt wichtigen Gastronomie, wieder angekurbelt. Gleichzeitig wird das Angebot an Rindfleisch, deutschland- aber auch europaweit als knapp beschrieben.
Von einem sonst typischen Sommerloch für Rindfleisch ist in diesem Jahr nichts zu spüren. Allerdings werden die höheren Erlöse erzeugerseitig durch deutlich höhere Futterkosten geschmälert. Der aktuelle Jungbullenpreis liegt bei 4,20 €/kg Schlachtgewicht (bei Handelsklasse R3 – in KW 39).

Milchmarkt
Das Jahr 2021 war von guten Entwicklungen aller Rohstoffmärkte geprägt. Die Milchanlieferung in Deutschland und Europa lag unter dem Vorjahr, es gab kaum Lagerbestände. Dem stand eine hohe Nachfrage im Inland, dem Binnenmarkt und aus Drittländern, besonders China, gegenüber. Das führte zu einem Anstieg der Erzeugerpreise.
Der aktuelle Auszahlungspreis liegt bei ca. 36 Cent pro Liter. Nach wie vor zeigen die Märkte stabile bis positive Entwicklungen, sodass aktuell mit weiterhin stabilen Preisen gerechnet wird.
Wie auch andere Branchen leiden die Milchviehbetriebe unter explodierenden Kosten. Besonders die stark gestiegenen Futterkosten machen den Betrieben zu schaffen. Hinzu kommt ein Investitionsstau aufgrund unterschiedlichster Umweltauflagen.
Die gestiegenen Milchpreise reichen nicht aus, um die höheren Kosten aufzufangen.

Schweinemarkt
Der Schweinemarkt hat auch in 2021 mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie der in Ostdeutschland vorherrschenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu kämpfen. Wichtige Exportmärkte für deutsches Schweinefleisch sind bereits seit letztem Jahr weggebrochen. Zudem kämpfen Schlachthöfe mit Corona bedingten Schließungen und erhöhten Hygieneanforderungen.
Ein geringes Angebot an Schlachtschweinen geht mit einer geringen Nachfrage einher. Der stockende Fleischmarkt führt sowohl innerdeutsch als auch europaweit zu Absatzproblemen. Mit einem Schlachtschweinepreis von 1,25 €/ kg (VEZG-Preis KW 37) und einem Ferkelpreis mit 20 € (VEZG-Preis KW 37) bewegt sich der Markt auf sehr niedrigem Niveau. Die Einstallbereitschaft der Mäster wird zudem durch die vergleichsweise hohen Futterkosten getrübt.
Die deutsche Schweinehaltung befindet sich in einer fundamentalen Krise, ohne dass eine Trendwende am Markt absehbar ist.

Ernteergebnisse
Das Erntejahr 2020/21 war im Mittel eher kälter und wesentlich regenreicher als die vorangegangenen Jahre, in denen viele Betriebe unter erheblichen Dürreschäden zu leiden hatten. Die Grundwasserspeicher konnten sich so vielerorts wieder füllen, allerdings führte der anhaltende Regen zum Teil zu erschwerten Erntebedingungen und Qualitätseinbußen. Gleichzeitig lagen die Durchschnittserträge bei Getreide und Raps, mit regionalen Schwankungen, unterhalb des langjährigen Durchschnitts, konnten aber zu guten Erzeugerpreisen vermarktet werden. Begründet ist dies durch die im laufenden Jahr höhere weltweite Nachfrage nach Getreide im Vergleich zur globalen Ernte. Die Erzeugerpreise für Futtergetreide liegen derzeit zwischen 190 und 225 Euro pro Tonne und damit deutlich über dem Vorjahr.
Die Qualität der Getreideernte 2021 in Westfalen-Lippe war überwiegend mäßig. Die niedrigeren Erntemengen sind vorwiegend auf das kühle und sonnenscheinarme Frühjahr zurückzuführen. Gleichzeitig führten die häufigen Niederschläge zu verstärktem Pilzbefall. Im Landesteil Westfalen wurde 2021 mit 2,56 Millionen Tonnen etwa 1,2 % weniger Getreide geerntet als im Vorjahr. Bei Wintergerste stagnierte der Ertrag im Mittel der letzten Jahre. Auffällig waren hier vor allem die niedrigen Hektolitergewichte, welche durch die zu schnelle Abreife nach der kurzen Hitzewelle und der Trockenheit im Juni zustande kamen. Die anschließenden ergiebigen Niederschläge konnten diese nicht mehr umkehren. Geringe Hektolitergewichte waren auch beim Weizen zu verzeichnen, da die Körner vielerorts nur klein und nicht voll ausgefüllt waren. Zusätzlich glich die Ernte in diesem Jahr durch die stetigen, wetterbedingten Unterbrechungen einem Etappenrennen. In Westfalen-Lippe lag der Ertrag beim Winterweizen um 8,2 % unter dem Vorjahresniveau. Der Anbau von Roggen hat im Kreis Coesfeld in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und hat sich auch in diesem Jahr bewährt (Westfalen-Lippe: + 14,4 % im Vergleich zum Vorjahr). Die im Vergleich besseren Erträge rühren daher, dass Roggen auf den leichtesten Standorten angebaut wird. Dort war es auch in diesem Jahr nicht zu nass, so dass den Pflanzen zwar ausreichend, aber nicht zu viel Wasser zur Verfügung stand. Auf den guten Standorten sah man jedoch eher stagnierende oder etwas schlechtere Erträge als in den direkten Vorjahren. Die Erträge bei der Triticale lagen mengenmäßig zwischen denen von Weizen und Roggen. Allerdings gab es hier häufiger Probleme mit Auswuchs. Da Hafer auf Regen während der Wachstumsperiode angewiesen ist, profitierte dieser als Sommerung von den Niederschlägen. Die Silomaisernte befindet sich derzeit in vollem Gange. Die Erträge und Qualitäten zeigen sich bisher auf leichten Böden deutlich besser als in den Trockenjahren. Auf den Lehmböden kam es zu einer relativ späten Entwicklung der Pflanzen und dabei zu einem häufig niedrigeren Kolbenanteil, welcher einen unterdurchschnittlichen Stärkegehalt befürchten lässt. Für die Körnermaisernte werden, bei etwas verspäteter Ernte, durchschnittliche Erträge erwartet.