Nervenaufreibende Ernte mit viel Regen
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Landwirte im Kreis Soest sind dankbar für die Ernte, werden aber den Erntesommer so schnell nicht vergesssen
Kreis Soest (wlv). „Wir sind dankbar für die eingebrachte Ernte, aber den Erntesommer 2023 werden wir Landwirtinnen und Landwirte so schnell nicht vergessen“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest Josef Lehmenkühler. Vier Wochen Dauerregen während das reife Getreide auf dem Halm auf die Ernte warte, das habe er in dieser extremen Art und Weise selten erlebt.
Nachdem die Gerste Anfang Juli bei schönem Wetter geerntet werden konnte, habe anschließend Dauerregen eingesetzt und keine Erntearbeiten zugelassen. Weizen, Triticale, Roggen und Hafer hätten aufgrund des Regens bis auf einige Ausnahmen nicht zeitgerecht geerntet werden können rund vier Wochen reif auf den Feldern gestanden, sagt der Landwirtevorsitzende Lehmenkühler.
Brotweizen und Brotroggen hätten witterungsbedingt in den meisten Fällen in der Region so stark reduzierte Backeigenschaften, dass daraus kein Brot gebacken werden könne, sondern es als Tierfutter diene oder – sollte auch das nicht mehr möglich sein - es energetisch in Biogasanlagen genutzt werde, zieht Lehmenkühler das diesjährige Ernteresümee.
„Unsere Tierhaltung rettet aktuell einen großen Teil der Ernte“, so der Landwirt. Im Kreis Soest würde ein erheblicher Teil an Brotgetreide angebaut. „Unsere Böden geben das her und wir Landwirtinnen und Landwirte stellen uns bei den Sorten und der Düngung darauf ein, dass sich entsprechende Backeigenschaften im Korn entwickeln“, erklärt Lehmenkühler. „Verbleibt das reife Korn jedoch wie in diesem Jahr zu lange bei feuchter Witterung auf dem Halm, keimt es dort und es setzen enzymatische Keimungsprozesse ein, was die Backeigenschaften reduziert“, erklärt Lehmenkühler. Brot und andere Backwaren aus diesem Getreide würden nicht mehr richtig aufgehen und wären unverkäuflich, sagt er. „Unseren Tieren, ob Rindern oder Schweinen, dient es nun als Futter und kommt so über den Umweg des Tiermagens als Milch oder Fleisch uns Menschen wieder zu Gute“, erklärt der Landwirt. Hätten wir unsere Tiere nicht, gäbe es in diesem Jahr keine sinnvolle Verwertung für die meisten Getreidepartien, so Lehmenkühler. Das Getreide, das jedoch aufgrund des Dauerregens so stark in Mitleidenschaft gezogen worden sei, dass es auch nicht mehr als Tierfutter zu verwerten sei, würde nun in Biogasanlagen genutzt und in Strom und Wärme umgewandelt. Die Priorität sei zunächst die Verwertung für den Teller, also die menschliche Ernährung, dann für den Trog, also als Tierfutter und, sollte auch das nicht gehen, als letztens als nachwachsender Rohstoff für den Tank, erklärt Josef Lehmenkühler die Verwertungsrangfolge.
Jede reduzierte Verwendung sei für die Landwirte mit finanziellen Einbußen versehen, aber zumindest sei so das Getreide noch im Sinne der Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz sinnvoll nutzbar. Leider habe es aber in der Region auch einige Felder gegeben, die gar nicht mehr geerntet werden konnten. „Das sind natürlich herbe Verluste,“ sagt Lehmenkühler. Es täte jedem Landwirt und jeder Landwirtin in der Seele weh, wenn das Getreide, um das man sich seit der Aussaat im Herbst letzten Jahres gekümmert hätte, komplett verloren sei.
Der nasse Witterung habe aber auch seine positiven Seiten gehabt, sagt Lehmenkühler. „Wiesen und Weiden sowie Mais sind gut gewachsen, daher haben wir ausreichend Futter für unsere Tiere“, so der Landwirt und erklärt: „Grünland braucht Feuchtigkeit und die hatten wir in diesem Frühjahr und Sommer". Die Landwirtsfamilien mit Rindern, Pferden und Schafen müssten sich in diesem Jahr im Vergleich zu den Dürrejahren keine Sorgen um das Futter machen.
Vorbei sei die Ernte mit dem Erntedankfest noch nicht, sagt Lehmenkühler. „Aktuell werden noch Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln und verschiedene Gemüsearten geentet.“ Mais habe sich aufgrund des ausreichenden Wassers gut entwickelt, für die Kartoffeln sei es hingegen größtenteils zu nass gewesen, pilzliche Erreger hätten ihnen zu schaffen gemacht. Die Zuckerrüben seien zwar gut gewachsen, allerdings ließe der Zuckergehalt zu wünschen übrig, da die Sommersonne gefehlt habe.
Ein verregneter Erntesommer wie dieser hätte in früheren Zeiten zu Hunger und Mangelernährung geführt, sagt Lehmenkühler. „Dieses Jahr zeigt uns mal wieder, wie stark wir ein Teil der Natur sind,“ so der Vorsitzende.
Kurz erklärt:
Warum ist nicht jeder Weizen und nicht jeder Roggen zur Brotherstellung geeignet?
Soll Weizen als Brotweizen genutzt werden, muss er gute Backeigenschaften haben. Brot oder Brötchen, die daraus gebacken werden, müssen locker und feinporig sein. Ein Brot sollte möglichst viele kleine und gleichmäßige Poren haben. Zu wenig Poren machen das Brot fest, ungleichmäßig große Poren machen es löcherig.
Nun sieht von außen jedes Weizenkorn ja ziemlich gleich aus. Wie weiß man denn, aus welchem man gutes Brot backen kann? Dafür sind zwei Inhaltstoffe besonders wichtig und auf die kann man die Körner untersuchen.
Klebereiweiß: Nur aus Getreide, das eine hohen Gehalt an Klebereiweiß hat – man nennt das auch Gluten – kann man lockeres Brot backen. Diese Klebereiweiße führen bei der Teigbereitung dazu, dass sich ein stabiles dreidimensionales Netzwerk im Teig ausbildet, das viele kleine Luftbläschen einschließen kann. Da ein großer Teil der Eiweiße, die man auch Proteine nennt, aus Klebereiweiß besteht, wird der Rohproteingehalt des Getreides untersucht und so ermittelt, ob man diesen Weizen oder den Roggen zum Backen verwenden kann.
Stärke: Die Stärke im Getreidekorn ist in der Lage, Feuchtigkeit zu binden. So werden die kleinen Bläschen im Brot und auch die Brotkrume elastisch. Der Anteil der Stärkemoleküle im Mehl wird mit der sogenannten „Fallzahl“ beschrieben. Hierzu wird das Getreide zu Mehl vermahlen und mit Wasser vermengt. Die Stärkemoleküle binden das Wasser und die Masse wird zähflüssig. Jetzt lässt man einen Stab in die Masse fallen und misst, wie lange er braucht, bis er unten ankommt. Enthält das Mehl wenig Stärke, bleibt die Masse eher flüssig und der Stab taucht schnell hindurch, die Fallzahl ist also gering. Dauert es lange, ist viel Stärke im Mehl, die Fallzahl ist hoch und das Getreide ist als Brotgetreide geeignet.
Die Backeigenschaften sind von mehreren Faktoren abhängig. Großen Einfluss haben im Anbau besonders die Wahl der Sorte, eine ausreichende Düngung und die Witterung.