Regen und Politik forderten die Landwirtschaft im Kreis Soest massiv

Josef Lehmenkühler: 2023 hat uns massiv herausgefordert, sowohl politisch als auch was die Witterungsbedingungen betrifft
Kreis Soest (wlv). „2023 war für uns Landwirtinnen und Landwirte im Kreis Soest ein Jahr, das wir so schnell nicht vergessen“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest Josef Lehmenkühler. 2023 habe die Bäuerinnen und Bauern massiv herausgefordert, sowohl politisch als auch was die Witterungsbedingungen betreffe. Auf der einen Seite Regen in Hülle und Fülle und auf der anderen Seite eine Politik, der immer stärker das fachliche Fundament fehle und besonders in 2023 die Landwirtschaft mit nicht praktikablen Vorhaben malträtiert hätte.
Nass von Januar bis Dezember
„Extrem nass – so werden wir Landwirtinnen und Landwirte das Jahr 2023 noch lange in Erinnerung behalten“, sagt Lehmenkühler. Die massiven Niederschläge hätten die Arbeiten in diesem Jahr stark beeinträchtigt. „Zu Beginn des Jahres konnten wir mit den Winter- und Frühjahrsarbeiten nur extrem verzögert starten, da die Felder nicht befahrbar waren“, erinnert er sich. Im Sommer habe dann vier Wochen Dauerregen das reife Getreide auf dem Halm auf die Ernte warten lassen, was dazu geführt hätte, dass die Backeigenschaften von Weizen und Roggen häufig so beeinträchtigt worden seien, dass das Getreide nicht mehr zum Backen, sondern nur noch als Tierfutter habe genutzt werden können. Im Herbst habe der nicht endende Regen dazu geführt, dass Kartoffeln, Zuckerrüben, Möhren und andere Gemüsearten nur schwer und verzögert hätten geerntet werden können; zum Teil gebe es auch derzeit noch Felder, die auf die Ernte warten würden. „Fast 1200 mm Niederschlag, das ist für unsere Region und unsere Böden extrem viel,“ sagt der Vorsitzende. Die durchschnittliche Regenmenge liege im Kreis Soest bei 750 mm.
Politik hat extremere Auswirkungen als das Wetter
„So stark, wie uns das Wetter in diesem Jahr auch beeinträchtigt hat, politische Vorhaben und Beschlüsse treffen uns Bauernfamilien um einiges mehr“, sagt der Landwirt. Mit der Natur und dem Wetter würden die Bauern seit ewigen Zeiten leben. Früher hätte ein Jahr wie dieses zu extremen Missernten und Hungernöten geführt. „Heute sind wir froh, dass wir durch Züchtung, Technik und Pflanzenschutz die Ernte zumindest nicht komplett verlieren“, so der Landwirt.
Politik braucht wieder Fachkenntnis
Unberechenbar sei die Agrarpolitik geworden, denn wie in vielen anderen Bereichen auch fehle dort der Fachverstand, so der Landwirt. Vieles sei gut gemeint, aber ohne fachliches Wissen sei „gut gemeint“ häufig das Gegenteil von „gut gemacht“. Ein Beispiel sei das drohende Pflanzenschutzverbot für das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde gewesen, das nur durch die Allianz aller Beteiligten noch hätte abgewendet werden können.
„Das Fass zum Überlaufen brachten kurz vor Weihnachten gleich zwei geplante Vorhaben der Bundesregierung im Zuge der Haushaltskonsultierungen: die Streichung der Agrardieselkonditionen sowie die Rücknahme der Kfz-Steuerbefreiung“, so Lehmenkühler. Hier würde deutlich, wie gegenläufig die politischen Vorhaben seien. „Wenn wir den Pflanzenschutz reduzieren sollen und wollen, müssen wir häufiger hacken und striegeln, was einen deutlich höheren Dieselverbrauch nach sich zieht“, sagt er.
Lehmenkühler kündigt Aktionswoche an
Die Schmerzgrenze sei mehr als erreicht, kritisiert Lehmenkühler. Nach den vielen unpraktikablen Auflagen, Kürzungen und Angriffen auf die Landwirtschaft der letzten Jahre sollten die Bauernfamilien jetzt noch die Fehlplanungen im Bundeshaushalt auslöffeln, das sei einfach zuviel. „Es reicht, genug ist genug“, sagt der Landwirtevorsitzende und kündigt eine bundesweite Aktionswoche der Landwirtschaft ab dem 8. Januar an, an der sich auch die Landwirtsfamilien im Kreis Soest beteiligen werden. „Wir Bauernfamilien können nicht zum Spielball der Politik gemacht werden“, sagt er. „Der Politik scheint es gleichgültig zu sein, wenn unsere durch Bauernfamilien geführten Höfe hier nicht mehr überleben können und die Selbstversorgung unserer Bevölkerung gefährdet wird. Es ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wenn auf unseren landwirtschaftlichen Gunststandorten die Erzeugung gezielt reduziert wird und wir uns von anderen Teilen der Welt abhängig machen, wo auf vergleichsweise schlechteren Standorten unter höherem Ressourcenverbrauch und einem deutlichen Mehr an Emissionen gewirtschaftet wird.“
Es sei dringend an der Zeit, dass Praktiker mehr Gehör finden und ihre Expertise vermehrt in politische Entscheidungen einfließe.