Mitgliederrundschreiben Sommer 2023
Liebe Mitglieder, es gibt einiges aus der Verbandsarbeit zu berichten.
Beginnen wir mit den europarechtlichen Planungen. Aufgrund zahlreicher Neuerungen eine aktuelle Übersicht zur Sustainable Use Regulation (SUR), EU-Verordnung zur Reduktion der ausgebrachten Menge und des Risikos und zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM),
Nature Restoration Law (NRL), Naturwiederherstellungsgesetz und Industrial Emissions Directive (IED), Industrieemissionsrichtlinie:
Industrieemissionsrichtlinie [IED]:
Die Beratungen innerhalb der einzelnen Organe sind abgeschlossen.
• Bisherige IED umfasst: Schweinehaltungen ab 2.000 Mastplätzen und Geflügelhaltungen ab 40.000 Mastplätzen (entspricht 600 Livestock Units [LSU]), keine Rinderhaltung
• Vorschlag EU-Kommission: Aufnahme der Rinderhaltung, 150 LSU für Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltungen
• Position EU Rat: Stufenweise Absenkung auf 350 LSU bei Rinder- und Schweinehaltungen sowie Gemischtbetrieben, 280 LSU bei Geflügelhaltungen
• Position EU Parlament: Status Quo – Keine Rinderhaltung, 600 LSU bei Schweine- und Geflügelhaltungen (durch Umstellung von Tierzahlen auf LSU ergeben sich lediglich Verschärfungen für Mastputen)
• Position Bundesregierung: Status Quo bei Schweine- und Geflügelhaltungen, 300 LSU bei Rindern
Weiterer Verlauf: Start der Trilogverhandlungen, endgültige Verabschiedung ist im 1. HJ 2024 zu erwarten. Gespräche mit MdBs oder MdEPs werden wir weiter dafür nutzten, für unsere Position zu werben: Rinder gehören auf keinen Fall in die IED, bisherige Schwellenwerte müssen erhalten bleiben, da verheerende Investitionskosten drohen und die Forderungen nach mehr Tierwohl konterkariert werden.
Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln [SUR]:
Aufgrund der mangelnden Folgenabschätzung forderte der EU-Rat (Dezember 2022) die Kommission auf, mehr Material zur Verfügung zu stellen, um Auswirkungen bzgl. Ernährungssicherheit, einschließlich der landwirtschaftlichen Produktion offenzulegen. Da die Forderung nach einer komplett neuen Folgenabschätzung keine Mehrheit fand, weist die aktuell vorgelegte „erweiterte Folgenabschätzung“ weiterhin große Lücken auf:
• Ungewissheit zur Größe in Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten
• Optionen für PSM-Restriktionen in Trinkwasserschutzgebieten und Natura-2000-Gebieten
• Kosten und Schutzgüter
Am 27. Juni diskutierte der EU-Agrarrat den erarbeiteten Fortschrittsbericht zur SUR. Hier wurden Einigungen zu unkritischen Bereichen getroffen. Kritische Bereiche wie Reduktionsziele oder die Ausweisung sensibler Gebiete müssen unter der neuen spanischen Ratspräsidentschaft noch erfolgen. Da in vielen Mitgliedsstaaten Neuwahlen anstehen, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Eine Entscheidung ist hier Grundvoraussetzung für die Trilogverhandlungen. Die Abstimmungen in den EP-Ausschüssen werden in der 1. Oktoberwoche erwartet.
Deutschland steht weiterhin hinter der 50%igen PSM-Reduzierung. Allerdings müssen bereits erreichte Erfolge mehr und die Konsequenzen der pauschalen Ausweisung sensibler Gebiete berücksichtigt werden.
Verordnung zur Wiederherstellung der Natur [NRL]:
Am 12. Juli hat das Europäische Parlament dem umstrittenen Entwurf zur Wiederherstellung der Natur mit einer knappen Mehrheit zugestimmt (336 Ja-Stimmen / 300 Nein-Stimmen / 13 Enthaltungen). Die jeweiligen Abstimmungen in den Ausschüssen verliefen teils knapp. Auch im federführenden Umweltausschuss wurde dem Plenum eine gänzliche Ablehnung des Gesetzesvorschlages vorgeschlagen. Eine Abstimmung darüber scheiterte. Mit der Positionsfindung des Parlaments beginnen nun die Trilogverhandlungen.
Durch die vorgeschlagene Verordnung sollen sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen, mindestens 20 % der beeinträchtigten Land- sowie Meeresgebiete bis 2030 wiederherzustellen. Folgendes ist u.a. vorgesehen:
• Wiedervernässung von Mooren zur Stärkung der Artenvielfalt
• Biologische Vielfalt in Agrarlandschaften verbessern
• Landschaftselemente auf mindestens 10 % der landwirtschaftlichen Fläche bis 2030
• Mehr Totholz und einheitlichere Altersstrukturen in Wäldern
• Ausbau von Grünflächen und Bäume in Stadtgebieten
• Befreiung der Flüsse von Hindernissen
Die Kommission räumt ein, dass es für eine objektive Bewertung bislang keine gemeinsame Methode gäbe. Daher sollen Indikatoren herangezogen werden, die die biologische Vielfalt zeigen.
Die Vereinbarkeit von einer produktiven Landbewirtschaftung im Sinne der Ernährungssicherheit und einer Förderung der Biodiversität ist heute in vielen Projekten und Initiativen belegt. Die Förderung der Biodiversität muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein und darf nicht nur bei den Landwirten abgeladen werden.
Die Art und Weise, wie in dem Meinungsfindungsprozess zur NRL miteinander umgegangen wurde, wie die Gegner dieser Verordnung quasi als „ewig Gestrige“ und „Klimawandelnegierer“ behandelt wurden – und das auch quer durch die Presselandschaft – lässt wenig Gutes für die Meinungsfindung zur SUR erwarten.
Gleichzeitig setzen wir uns mit der Umsetzung der GAP und den unseligen Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen (GLÖZ) auseinander, die einen fachlich schon verzweifeln lässt. Ein Beispiel: Habe ich Körnermais und Zuckerrüben in der Fruchtfolge und schaffe es somit nicht vor September einzusäen, muss ich das Mailand so wie der Mähdrescher es zurück gelassen hat liegen lassen, inclusive Maiszünsler.
Leider mussten wir bei den Videokonferenzen der Landwirtschaftskammer erleben, dass den Sachbearbeitern hier so die Hände gebunden wurden, dass eine betriebswirtschaftliche bzw. fachliche Beratung (fast) unmöglich scheint. Dies soll keine Kritik an der Landwirtschaftskammer und ihren qualifizierten Mitarbeitern sein, sondern an den Vorgaben, die von Leuten gemacht werden, die anscheinend kein Vertrauen in den Sachverstand der Landwirtschaftskammer geschweige denn der Landwirte haben.
Ich werde mich bemühen, zum September eine für alle offene Videokonferenz über den Pflanzenbauausschuss des WLV, dessen Vorsitzender ich bin, mit Sachbearbeiter des Ministeriums zu organisieren, um zu sehen und zu verstehen, welche Beweggründe zu einer so reglementierten Auslegung der Brüsseler Vorgaben führen. Es muss ja auch Gründe für das mangelnde Vertrauen in Kammer und Landwirtschaft geben.
Es ist uns aber auch einiges gelungen. So ist es der intensiven Arbeit von WLV und DBV zu verdanken, dass mit entsprechenden Änderungen des Baugesetzbuches (BauGB) endlich die baurechtlichen Hemmnisse für zahlreiche Betriebe fallen, die ihre Ställe hin zu weiterem Tierwohl umbauen wollen. Das Gesetz enthält im Vergleich zu ersten Entwürfen erhebliche Verbesserungen. Das ist zunächst einmal ein großer Erfolg, weil dadurch grundsätzlich Möglichkeiten für Tierhalter geschaffen werden, um Ställe umzubauen. Aus Sicht des WLV ist es nun dringend erforderlich, auch das Immissionsschutzrecht anzupassen, sodass etwa der Umbau zu Ställen mit Außenklima und Frischluft künftig möglich ist. Eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist dringend erforderlich, um überhaupt Änderungen vorhandener Stallbauten hin zu mehr Tierwohl realisieren zu können. Tierwohl und Immissionsschutz müssen miteinander in Einklang gebracht werden.
Mit Blick auf das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz erwartet der WLV die Ausweitung der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung, die nicht nur frisches Schweinefleisch, sondern auch die Verarbeitungsware und andere Tierarten einschließt. Zudem fordert der Berufsstand die Einführung einer staatlichen Herkunftskennzeichnung, um die deutsche Ware für Verbraucher besser kenntlich zu machen und eine bewusste Entscheidung für heimische Produkte zu fördern. Unser Präsident Hubertus Beringmeier betont. „Beim Bauerntag in Münster hat Minister Özdemir uns zugesichert, die Lücken in der Tierhaltungskennzeichnung zu schließen und das Immissionsschutzrecht nochmal besonders in den Blick zu nehmen. Wir nehmen ihn beim Wort! Und daran muss er sich messen lassen. Es braucht eine vollumfängliche Herkunftskennzeichnung, ein praktikables Bau- und Immissionsschutzrecht sowie ein langfristiges und tragfähiges Förderprogramm, damit unsere Tierhalter nun endlich investieren können.“
Trotz allem ist es daher wichtig, dass wir verbandsseitig weiter aktiv sind, um wenigstens zu Teilen mitzugestalten, auch wenn dies wegen der gesellschaftspolitischen Situation nur zu Teilerfolgen führt. Dies gilt auch bei uns in Lippe zum Beispiel für die Ausweisung von Heilquellenschutzgebieten (Bad Salzuflen), die Landschaftsplanung (Grüne Infrastruktur) und – mit Blick auf Starkregenereignisse - die Klimafolgenanpassung (Evolving Region Lippe) sowie der Ausbau der 380 kV-Trasse zum Umspannwerk Bechterdissen oder die Nutzung von Wirtschaftswegen. Es ist oft die Flut von Themen, gegen die wir gleichzeitig ankämpfen müssen.
Zu alle dem gestaltet sich unser Erntewetter wenig positiv und die Weltpolitik scheint auch nicht in ruhiges Fahrwasser kommen zu wollen. Herausforderungen gibt es wahrlich genug.
Erfreulich ist, dass wir zur nächsten Kammerwahl eine sehr gute Liste an Kandidaten aufstellen Wahl stellen. Natürlich haben wir im Vorfeld auch über den Zeitbedarf der einzelnen Positionen gesprochen, so dass die Reihenfolge nicht rein zufällig ist.
Auch möchte ich noch einmal kurz auf das gelungene Sommerfest an den Externsteinen zurückblicken. Ich hoffe, dass es uns möglich ist, so etwas alle 2 Jahre zu organisieren. Toll, dass es gerade nach den Corona Jahren geklappt hat.
Wir wünschen uns allen besseres Wetter und eine gute Ernte
Dieter Hagedorn
(Im Namen des geschäftsführenden Vorstandes)