Bauern für mehr Biodiversität für Pflanzen, Tiere, Insekten etc.

Einmalig in NRW: Projekt Rebhuhn retten - Vielfalt fördern! in Stemwede
Artenschutz bewegt: Anfang Oktober (1.10.2024) wurde der „Faktencheck Artenvielfalt“, eine Großstudie zum Wissensstand zur Biodiversität in Deutschland veröffentlicht. Zudem: Die UN- Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen beginnt demnächst (21.10.-1.11.2024).
Die Artenvielfalt fördern und schützen – aber wie?
„Uns Bauernfamilien ist die Biodiversität ein großes Anliegen, deshalb tun wir Vieles dafür“, erklärt Antonios Tillmann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes OWL bei einem Pressegespräch auf dem Hof Christian Wiese in Stemwede-Drohne am Donnerstag (17.10.2024). „Es gibt viele praktikable und wirksame Maßnahmen, um diese zu höhen“, unterstreicht Sven Nadolny von der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft in der OWL-Geschäftsstelle in Herford. Brache- und Pufferflächen, Strukturanreicherung, Ganzjahreslebensraum, Vernetzung und Multiplikation - seien nur einige Aspekte, die auf Ackerflächen im Mühlenkreis sowie in Ostwestfalen-Lippe durchgeführt werden.
Projekt Rebhuhn retten - Vielfalt fördern!
Wie sieht ein idealer Brutraum für das Rebhuhn aus? Wie können Insekten gefördert werden, die nach der Brut zur Aufzucht der Jungen dringend gebraucht werden? Einmalig in NRW ist das Projekt „Rebhuhn retten - Vielfalt fördern!“, das im Frühjahr in Stemwede im Kreis Minden-Lübbecke gestartet ist. Das Gebiet zwischen Stemwede und Diepholz ist Teil des bundesweiten Naturschutzprojektes „Rebhuhn retten – Vielfalt fördern!“. Damit liegt eines dieser insgesamt 10 Projektgebiete in NRW. Das Ziel des Verbundprojektes im Bundesprogramm Biologische Vielfalt: die Rebhuhnbestände auf langfristig gesicherte Populationen erhöhen. Zudem: Die Artenvielfalt durch Aufwerten ihres Lebensraums Offenland zu fördern.
Gemeinsam für das Rebhuhn
Dieses grenzübergreifende Projekt befindet sich in der Region östlich des Dümmer Sees. Aufgrund des landschaftlichen Zusammenhangs, erstreckt sich das rund 11.000 Hektar große Gebiet neben Niedersachsen auf den Bereich Stemwede (Kreis Minden-Lübbecke) in Nordrhein-Westfalen. Im Niedersächsischen Teil des Projektgebietes „Dümmerregion“ beteiligen sich inzwischen 29 landwirtschaftliche Betriebe mit rebhuhnfreundlichen Maßnahmen am Projekt. Auf nordrhein-westfälischer Seite sind aktuell es 13 Höfe. Auf diese Weise ist NRW in diesem einzigartigen bundesweiten Projekt mit rund 2.000 Hektar Projektfläche vertreten. Unter der Federführung des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL), der Abteilung Naturschutzbiologie und der Abteilung Funktionelle Agrobiodiversität der Universität Göttingen sowie des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA), haben sich drei Partner zusammengeschlossen, um dem Rebhuhn unter die Flügel zu greifen und weitere Tiere in der landwirtschaftlichen Landschaft zu fördern wie Insekten, Feldhasen und andere Feldvögel.
Landwirt Christian Wiese aus Stemwede-Drohne engagiert beim Rebhuhnschutz
Christian Wiese bringt sich gleich mehrfach ein wie bei der Bestandserhebung von Rebhühnern in der Feldflur: Er erfasst zum Beispiel Ende Februar/Anfang März kurz nach Sonnenuntergang rufende Hähne. Aufgrund dieser Daten entwickelt dann Nadolny ideale Konzepte, um die Flächen des Landwirts ökologisch für das Rebhuhn aufzuwerten.
„Das Rebhuhn benötigt eine strukturreiche Landschaft aus Ackerflächen, Brachen, Hecken und kleinen Gehölzen mit einer hohen Artenvielfalt an Pflanzen und Insekten, die Nahrung, Schutz und Brutplätze bietet. Diese Vielfalt im Feld sorgt für mehr Insekten, dient dem Artenschutz, verbessert den Grundwasserhaushalt, bereichert das Landschaftsbild und fördert die Biotopvernetzung“, erläutert Dr. Marcel Holy Projektleiter von der Natur- und Umweltschutzvereinigung Dümmer e.V. (NUVD). „Gleichzeitig werden landwirtschaftliche Flächen erhalten.“ Im Wesentlichen sind es breite, mehrjährige Blühflächen aus regionalem Saatgut, Brachflächen sowie extensive Getreideflächen und das Ganze in Kombination. So werden Lebensräume, Deckung, Nahrung und Rückzugsraum für Offenlandarten wie Rebhuhn oder auch Feldhase und Feldlerche geschaffen. Die landwirtschaftliche Erzeugung tritt hier allerdings zurück. „Die finanziellen Einbußen können jedoch durch Förderangebote ausgeglichen werden“, so Nadolny.
Christian Wiese setzt diese Maßnahmen auf seinen Felder um. „Bei uns bereichern schon lange Zwischenfrüchte die Fruchtfolge.“ Denn neben Bodenfruchtbarkeit, günstigen Auswirkungen auf Bodenleben und Grundwasserschutz bieten diese Deckungs- und Nahrungsraum für die Feldvögel im Winter. Landwirt Wiese ist überzeugt: Mehrjährige Blühflächen und extensive Ackerflächen ergänzen den Lebensraum sinnvoll“. Auch Arten wie Wachtel, Braunkehlchen, Grauammer, Feldlerche, Neuntöter, Steinkauz sowie zahlreiche Fledermaus- und Insektenarten würden profitieren, berichtet Nadolny. Bisher konnten in Projektgebiet in Stemwede rund 50 ha Maßnahmenfläche gewonnen werden.
Mehr ökologischer Nutzen
Auch Dietmar Nolte, Landwirt, Jäger und Hegeringsleiter aus Stemwede-Dielingen, bringt mehrere Hektar Ackerflächen in das Projekt ein. Es mache ihm Freude zu sehen, wie die verschiedenen Verfahren für mehr Artenvielfalt fruchten, ob bei Hegebüschen also Feldgehölzen und Hecken, Rehkitzsuche vor der Mahd oder der Raubwildbejagung - von der die Bodenbrüter profierten. Nolte: „Aber erst durch die Projektberatung ist es uns gelungen, ökologisch hochwertiges in die Fläche zu bringen, dass der Artenvielfalt einen richtigen Vorschub leistet.“
„Rebhühner brüten gerne in Feldrainen, Brachen, Säumen von Hecken oder mehrjährigen Blühflächen“, weiß Holy. Gleichzeitig nutze das Rebhuhn im Laufe des Jahres verschiedene Feldfrüchte für seine Nahrung sowie als Tages- oder Nachtversteck. Deshalb sei ein kleinräumiges Nebeneinander, im besten Fall mit naturnahen Säumen kombiniert, optimal. Nadolny: „Rebhuhnküken leben in ihren ersten Wochen fast ausschließlich von Insekten und wirbellosen Tieren.“ Und gerade diese würden durch die Blüh- und Brachflächen und extensiv genutzte Getreidefelder besonders gefördert.
Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsam
Uns sind Artenvielfalt und Naturschutz enorm wichtig, denn wir arbeiten in und mit der Natur“, betont Bezirksverbandsvorsitzender Antonius Tillmann. Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen müssten aber passen. Die Umweltleistungen der Landwirte müssten weiterhin vernünftig honoriert und bürokratische Hürden abgebaut werden. „Am Beispiel Rebhuhn sieht man sehr gut: Das Rebhuhn ist auf die extensive Bewirtschaftung auf einen Teil der Ackerflächen angewiesen“, so Tillmann. Hier würden die Bauern dann aber auch weniger ernten. Ebenso hebt Kreisverbandsvorsitzender Joachim Schmedt hervor: „Der höhere – arbeitsökonomische und wirtschaftliche - Aufwand gepaart mit mehr ökologischen Nutzen müssen künftig besser honoriert werden, um diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe meistern zu können.“ Hier denke man neben „klassischer“ Förderung weiter im Sinne von „Öko- oder Credit-Points, so Nadolny. „Mit unseren Maßnahmen verzichten wir freiwillig auf einen Teil des Ertrages“, schildert Schmedt. Das tun sie aus ihrer Verantwortung heraus, aber „wir müssen auch von unseren Höfen leben können. Denn, dass was wir erwirtschaften, bildet unsere Existenzgrundlage für unsere Familien.“