7. Dezember 2022

Landwirtschaftliches Jahr 2022: Turbulente Märkte und Unsicherheiten

Turbulente Märkte und Unsicherheiten: OWL-Bezirksverbandsvorsitzender Antonius Tillmann und Bauernpräsident Hubertus Beringmeier zogen Bilanz. Bildautor: wlv
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„2022 war für uns alle ein Jahr mit vielen Unsicherheiten und Markturbulenzen“, fasst der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe Antonius Tillmann zusammen. In einem Pressegespräch am Dienstag (29. November 2022) zog der Bezirksverband Bilanz. Dieses fand auf dem Hof Strothmann in Borgholzhausen statt. Ukrainekrieg, Energiekrise, Afrikanischen Schweinepest, Verwerfungen auf den Märkten sowie der Wandel in der Tierhaltung – dies waren die großen Themen im Jahr 2022. Die Stimmung in den Bauernfamilien und die wirtschaftliche Lage sei angespannt. „Wie wird es in der Landwirtschaft weiter gehen? Das fragen sich ganz viele“, sagt Bauernpräsident Hubertus Beringmeier. Derzeit seien so viele Herausforderungen zu bewältigen, wie selten zuvor.

 

Wie war die diesjährige Ernte?

„Erfreulicher als angesichts der Trockenheit zu erwarten war, fiel die Getreide- und Rapsernte aus“, resümiert Tillmann. Doch sie zeige je nach Standort und Regen eine große Spannbreite. Auffallend in diesem Jahr war, dass dem Brotweizen in vielen Fällen wegen eines geringeren Proteingehaltes die ausreichende Backeigenschaft fehlte. Beim Raps verzeichnen die Landwirte eine gute Qualität mit guten Ölgehalten, allerdings ebenfalls mit großer Variation.

 

Herbstliche Ackerfrüchte litten unter Trockenheit

Vor allem den herbstlichen Ackerfrüchten hat die diesjährige Sommerstrockenheit zugesetzt, also die Pflanzen, die im Sommer im Wachstum waren wie: Gemüse, Kartoffeln oder Mais. So begann die Silomaisernte schon im August. „Rund vier Wochen früher als im Schnitt der Jahre“, berichtet Tillmann. Auch alle anderen Ernteformen beim Mais, wie Korn-Spindel-Gemisch oder Körnermais begannen deutlich früher. Die Erträge seien niedriger als im Schnitt der Jahre und extrem unterschiedlich. „Die Bodenqualitäten spielten bei der Trockenheit eine enorm große Rolle“, beschreibt Tillmann. Auf sandigen oder flachgründigen Böden, die Wasser nicht lange speichern könnten, habe der Mais zum Teil kaum Kolben gebildet. Er sei noch während des Längenwachstums vertrocknet. Auf den besseren Böden sei die Ernte zwar nicht gut, aber besser ausgefallen.

 

Kartoffeln: Kürzere Pommes

Auch bei den Kartoffeln fiel die Ernte geringer aus. Die Kartoffeln seien kleiner. „Die Pommes könnten kürzer werden“, sagt Tillmann. Auch die Zuckerrüben zeigen eine sehr starke Streuung. Auf einigen Flächen liegen sie im Schnitt der Jahre, auf anderen unterdurchschnittlich. Die Zuckergehalte zeigen sich dagegen überdurchschnittlich aufgrund der guten Witterung und viel Sonne im Herbst. Die Verarbeitung der Zuckerrüben, die Rübenkampagne, laufe noch voraussichtlich bis Anfang Januar in OWL.

 

Außergewöhnlich: Grasschnitt noch Anfang November

In diesem Jahr hat sich die Sommertrockenheit besonders auf die Wiesen und Weiden ausgewirkt. Rinder, Pferde oder Schafe mussten auf den Weiden häufig zugefüttert werden. Insgesamt sind die Erntemengen an Heu und Grassilage deutlich reduziert. Außergewöhnlich: Noch Anfang November war ein später Grasschnitt möglich. Der warme Oktober ließ das Gras noch gut wachsen. „Dieser Schnitt ist zwar kein riesiger, trägt aber mit zu den Wintervorräten für unsere Tiere bei“, schildert Tillmann

 

Marktturbulenzen durch Krieg

Massive Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine - wie auf viele anderen Wirtschaftsbereiche - auch auf die Landwirtschaft. „Die Verknappung und Verteuerung der Energie hat uns nicht nur direkt, sondern auch auf Umwegen getroffen“, sagt Tillmann. Dünger sei im Frühjahr beispielsweise um ein Mehrfaches teurer als in der Vergangenheit gewesen. Notwendigerweise hätten ebenso die Erzeugnisse der Landwirte im Preis anziehen müssen.

 

Mit der Verteuerung vieler Lebensbereiche schauten die Bürger beim Einkauf zunehmend auf den Preis, formuliert Beringmeier. „Das haben wir Landwirte zu spüren bekommen: Höherpreisige Produkte blieben und bleiben häufig liegen, ob Tierwohlfleisch, Bioprodukte oder sehr arbeitsintensive Erzeugnisse.“ Im Frühjahr hätten beispielsweise die Spargel- und Erdbeerbauern massiv darunter gelitten, dass heimische Früchte durch die günstige Importware ausgetauscht worden seien.

 

Zukunft für die Bauern? Große Unsicherheit

„Die Bäuerinnen und Bauern haben sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, um vieles weiterzuentwickeln und die Zukunft möglichst nachhaltig zu gestalten“, erzählt Tillmann. Doch derzeit herrsche eine enorme Unsicherheit in den Bauernfamilien. „Wir können nicht abschätzen, was sich für die Zukunft tragen wird“, ergänzt Beringmeier. Als Beispiel nannte er den Umbau der Schweineställe zu Außenklimaställen. Das sei mit erheblichen Umbaukosten und Folgekosten verbunden. Landwirte könnten das aber nur schaffen, wenn sie von ihrer Arbeit leben könnten und den Ausgaben irgendwann Einnahmen entgegenständen. Doch derzeit fehle die Bereitschaft, es ließen sich für höherpreisige Erzeugnisse wie Tierwohlfleisch oder Bioprodukte nicht die notwendigen Preise erzielen. Besonders die jungen Leute - sehr motiviert und gut ausgebildet - scheuten sich aufgrund der unsicheren Situation und fehlenden Perspektiven vor großen Investitionen, erläutert der Bauernpräsident.