Bauern ziehen Bilanz: Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft aus?

Enorme Unsicherheit auf den Höfen
2022 war für uns alle ein sehr herausforderndes Jahr“, resümiert Hermann Dedert, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Herford-Bielefeld. „Mit dem schrecklichen Angriffskrieg auf die Ukraine haben wir eine andere Zeit.“ Die Folgen des Krieges spürten die Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft.
Auswirkungen des Ukrainekriegs
„Für uns Landwirte war es ein Jahr mit vielen Unsicherheiten und Markturbulenzen“, erläutert Dedert. Die Verknappung und Verteuerung der Energie trafen die Landwirtschaft nicht nur direkt, sondern auch indirekt. Beispielsweise sei Dünger im Frühjahr im Vergleich zu den Vorjahren um ein Mehrfaches gestiegen. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse hätten notwendigerweise im Preis anziehen müssen. Doch mit der Verteuerung vieler Lebensbereiche achten die Bürger beim Einkauf deutlich stärker auf den Preis. Das haben die Bauern zu spüren bekommen. Dedert: „Höherpreisige Produkte wie Tierwohlfleisch, Bioprodukte oder sehr arbeitsintensive Erzeugnisse hatten und haben mit erheblichen Absatzrückgängen zu kämpfen.“ So hätten beispielsweise im Frühjahr die Spargel- und Erdbeerbauern massiv darunter gelitten, dass heimische Früchte durch günstige Importwaren ausgetauscht worden seien.
Zukunft Landwirtschaft: Wie sieht sie aus?
Die Stimmung in den Bauernfamilien sei angespannt, sorgt sich der Vorsitzende. „Wie wird es in der Landwirtschaft weiter gehen? Das fragen sich ganz viele.“ Derzeit seien so viele Herausforderungen zu bewältigen, wie selten zuvor. So hätten sich die Bäuerinnen und Bauern in den vergangenen Jahren auf den Weg gemacht, um vieles weiterzuentwickeln und die Zukunft möglichst nachhaltig zu gestalten“, erzählt Dedert. „Doch wir können überhaupt nicht abschätzen, was sich zukünftig tragen wird.“ Ein Beispiel sei der Umbau der Schweineställe zu Außenklimaställen, verbunden mit erheblichen Kosten und auch Folgekosten. Doch können die Höfe das nur schaffen, wenn sich die Ausgaben irgendwann durch Einnahmen rechnen. Allerding fehle unter anderem aufgrund der gestiegenen Kostenstruktur in vielen Haushalten die Bereitschaft, mehr für Lebensmittel auszugeben, so Dedert. „Die für die Landwirte erforderlichen Preise lassen sich mit teurerem, nach höheren Tierwohlstandards erzeugtem Fleisch oder Bioprodukten nicht erzielen.“ Große Investitionen seien deshalb nicht zu kalkulieren. Besonders die jungen Leute - sehr motiviert und gut ausgebildet - scheuten aufgrund der unsicheren Situation und fehlender Perspektiven den nächsten betrieblichen Entwicklungsschritt.
Auch im Ackerbau ist die Unsicherheit der Landwirte in Herford und Bielefeld groß. Und dieses kommt nicht nur durch den weiterhin starken Verbrauch von landwirtschaftlicher Nutzfläche. Durch neue Bewirtschaftungsauflagen des Bundes und einem drohenden flächendeckenden Verbot von Pflanzenschutzmittel durch eine EU-Verordnung sehen die Landwirtinnen und Landwirte ihre gute fachliche Pflanzenerzeugung in Gefahr. „Wir stehen für einen aktiven Naturschutz und eine Verbesserung der Biodiversität, aber es muss weiter möglich sein, unsere Pflanzen vor Krankheiten zu schützen“, so der Vorsitzende. Er befürchtet einen massiven Rückgang der Erzeugung bei weiter zunehmenden Auflagen.
Wie war die diesjährige Ernte?
„Erfreulicher als angesichts der Trockenheit zu erwarten war, fiel die Getreide- und Rapsernte aus“, resümiert der Vorsitzende. Doch sie zeigte je nach Standort und Regen große Spannbreiten. Dagegen habe die diesjährige Sommerstrockenheit vor allem den herbstlichen Ackerfrüchten Kartoffeln, Gemüse und Mais zugesetzt. Die Erträge seien niedriger als im Schnitt der Jahre und extrem unterschiedlich. „Die Bodenqualitäten spielten eine enorm große Rolle“, beschreibt der Vorsitzende. Vor allem auf den leichteren, sandigen Böden wie im Bielefelder Süden habe der Mais kaum Kolben gebildet oder sei nur hüfthoch gewachsen. Bei den Kartoffeln fiel die Ernte ebenso geringer aus. Die Knollen seien kleiner. Weiter zeigten die Zuckerrüben eine sehr starke Streuung. „Auf einigen Flächen liegen sie im Schnitt der Jahre, auf anderen unterdurchschnittlich“, so Dedert. Die Zuckergehalte zeigten sich dagegen überdurchschnittlich aufgrund der guten Witterung und viel Sonne im Herbst.
Außergewöhnlich: Grasschnitt noch Anfang November
Die Sommertrockenheit hat sich in diesem Jahr besonders auf die Wiesen und Weiden ausgewirkt. Rinder, Pferde oder Schafe mussten auf den Weiden häufig zugefüttert werden. Insgesamt waren die Erntemengen an Heu und Grassilage deutlich reduziert. Außergewöhnlich: Noch Anfang November war ein später Grasschnitt möglich. Der warme Oktober ließ das Gras noch gut wachsen. „Dieser Schnitt ist zwar kein riesiger, trägt aber mit zu den Wintervorräten für die Tiere bei“, schildert Dedert.