Erntepressegespräch 22.06.2021
Situation der Betriebe in Herford und Bielefeld
- Zahl der Betriebe weiterhin rückläufig, besonders tierhaltende Betriebe nehmen stark ab.
- nach drei Jahren sehr starker Frühjahrs- und Frühsommertrockenheit gab es in 2021 endlich mal wieder mehr Niederschläge. Dieses hat sich positiv auf die Entwicklung der Herbstkulturen, besonders Getreide und Raps ausgewirkt.
- Die Sommerkulturen Zuckerrüben, Mais, Ackerbohnen und Kartoffeln haben durch den kalten April einen zögerlichen Wachstumsstart gehabt. Die Wärme der letzten 2-3 Wochen hat aber für einen Wachstumsschub bei allen Kulturen gesorgt.
- Die Ernteerwartungen sind deshalb, je nach Bodengüte, gut.
- Die Ernte wird je nach Standort ab Anfang bis Mitte Juli beginnen. Zuerst wird die Gerste, dann nacheinander in den nächsten Wochen Raps, Roggen, Triticale und Weizen geerntet.
- Auch das Grünland hat von den feuchteren Bedingungen profitiert. Der erste Grasschnitt war von der Menge und der Qualität gut.
- Auflagen und Bürokratie sind eine immer weiter zunehmende Herausforderung für die Betriebe. Hier brauchen wir für die Zukunft eine deutliche Vereinfachung und vor allem verlässliche politische Rahmenbedingungen. Nur so ist eine Zukunft für die landwirtschaftlichen Betriebe vor Ort möglich. Immer neue und immer wechselnde Auflagen erschweren die Entwicklung der Betriebe.
- Mit großer Sorge sehen die Landwirte den zunehmenden Flächenverbrauch. Besonders in Bielefeld, aber auch im Kreis Herford, nimmt die Landwirtschaftliche Fläche immer weiter ab. Wir sehen durchaus die Notwendigkeit einer Entwicklung von Kommunen, diese sollte aber flächenschonend erfolgen. Stichworte hier sind Nutzung von Industriebrachen, Innenverdichtung von Städten und bei Flächenbedarf dichte Bebauung. Die Außenbereiche sind so weit wie möglich zu schonen. Auch die Maßnahmen für den Ausgleich und Ersatz müssen im Sinne der regionalen Landwirtschaft flächenschonend durchgeführt werden. Hier gibt es von Seiten der Landwirtschaft viele gute Ideen (Produktionsintegrierte Maßnahmen, qualitativer Ausgleich an Gewässern). Es muss aber von Politik und Verwaltung auch gewollt sein.
- Ein Negativbeispiel sind die vielen geplanten Baugebiete in Bielefeld. Die Politik und die Verwaltung übertreffen sich gegenseitig mit ihren Vorstellungen. Aber auch die geplanten Erweiterungen der Gewerbegebiete im Kreis Herford (Vlotho, Herford, Hiddenhausen/Kirchlengern) sehen wir Landwirte kritisch. Besonders durch die Corona-Pandemie ergeben sich für uns Fragen nach der Notwendigkeit (wirtschaftliche Entwicklung der Gewerbebetriebe).
Der Schutz der landwirtschaftlichen Fläche erhält die Landwirtschaft vor Ort!
Landwirtschaft und Corona
- Die Corona-Pandemie hatte in 2020 aus unserer Sicht den Blick der Gesellschaft auf die Landwirtschaft verändert
- Am Anfang fehlten auch landwirtschaftliche Grundprodukte (Mehl) in den Regalen.
- Es gibt eine positive Diskussion über die Notwendigkeit einer regionalen Erzeugung, nicht nur in Bezug auf die Landwirtschaft.
- Dieses versucht die Landwirtschaft seit Jahren darzustellen.
- Durch zu hohe Auflagen bei der Erzeugung aber auch im Baubereich wird der Standort Deutschland zu teuer.
- Dadurch kommen zu viele Produkte aus dem Ausland, die auch in Deutschland erzeugt werden können. Dieses kann aus unserer Sicht nicht richtig sein!
- eine regionale, gut kontrollierbare und qualitativ hochwertige Erzeugung muss von der Gesellschaft und der Politik in Deutschland mit angemessenen Preisen und für die Betriebe verkraftbaren Auflagen unterstützt werden.
Tierhaltung
- Die Tierhaltung in Herford und Bielefeld steht vor einer unsicheren Zukunft. Durch die Corona-Pandemie sind die Märkte durcheinandergeraten. Der Absatz von Rindfleisch und Kalbfleisch, besonders in der Gastronomie gefragt, ist eingebrochen. Hier erhoffen wir uns durch die zunehmenden Lockerungen eine Verbesserung. Gleiches gilt für Teile des Milchmarktes. Im Einzelhandel konnte mehr Milch abgesetzt werden, da die Menschen mehr zuhause waren. Trotzdem hat der LEH aktuell alles versucht, die Erzeugerpreise zu drücken.
- Die Tierhaltung in Deutschland steht sehr stark in der Diskussion.
- Die Landwirte sind zu mehr Tierwohl in den Ställen bereit, viele innovative Ideen kommen aus der Landwirtschaft. Aber jedes mehr an Tierwohl ist mit höheren Kosten verbunden, die der Landwirt am Markt nicht wiederbekommt.
- das Konzept der Borchert Kommission für eine zukunftsfähige Tierhaltung wir intensiv diskutiert. Es geht um den gesellschaftlich geforderten Umbau der Tierhaltung zu mehr Tierwohl. Hier werden die Landwirte zum Spielball der Politik, da keine machbaren Rahmenbedingungen für die Tierhalter geschaffen werden. Viele neue Vorgaben stehen im Widerspruch zu geltendem Baurecht und Immissionsschutzrecht.
- Wir brauchen ein klares Bekenntnis der Politik zur Tierhaltung in Deutschland. Mehr Tierwohl in den deutschen Ställen muss auch umsetzbar sein. Der Landwirt muss für seinen Mehraufwand mindestens den wirtschaftlichen Ausgleich bekommen. Sollte es sich für die Landwirte nicht rechnen und die Vorgaben für den gesellschaftlich geforderten Umbau im Baurecht nicht passen, wird die Tierhaltung aus Deutschland und somit auch aus Herford und Bielefeld verschwinden. Dann sind wir auf Importe angewiesen und haben die Vorgaben für die Erzeugung von tierischen Erzeugnissen nicht mehr in der eigenen Hand. Das kann nicht das Ziel sein.
- Viele Gesetzesänderungen sind beschlossen worden, z.B. die Tierschutznutztierhaltungsverordnung. Jetzt geht es um die praktische Umsetzung.
- Wir wollen das Tierwohl in der Landwirtschaft verbessern. Aber der Erzeugerpreis und die gesetzlichen Vorgaben müssen stimmen. Wir brauchen einen Gesellschaftsvertrag über die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland.
Düngeverordnung, Grundwasserschutz und Klimaschutz
- Der Schutz des Grundwassers und der Oberflächengewässer hat für die Landwirte höchste Priorität. Durch viele Maßnahmen wie Beratung der Betriebe, Zwischenfruchtanbau, Düngeplanung, exakte und bodennahe Ausbringung von Wirtschaftsdüngern und Mineraldüngern wird eine bedarfsgerechte Versorgung der Pflanzen erreicht, damit möglichst kein Nitrat ins Grundwasser gelangt.
- In den Wasserschutzgebieten in Herford und Bielefeld findet in der Wasserkooperation seit Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit der Landwirtschaft mit den jeweiligen Wasserversorgern statt. Probleme werden besprochen und gemeinsame Lösungen erarbeitet.
- Die offiziellen Grundwassermessstellen zeigen bis auf wenige Ausnahmen Nitratwerte unter dem gesetzlichen Grenzwert von 50 mg Nitrat pro Liter. Bei problematischen Messstellen muss genau analysiert und Lösungen gefunden werden.
- Durch noch exaktere Aufzeichnungen und Bewirtschaftungsauflagen wurde die Düngung durch die Novellierung der Düngeverordnung 2020 weiter reglementiert. Durch diese wird eine fachgerechte Düngung nach Bedarf der Pflanzen in bestimmten Gebieten nicht mehr möglich sein. Dieses sehen wir kritisch.
- Deshalb hat die zeitweise Ausweisung von sog. nitratsensiblen Gebieten (rote Gebiete) zu großem Unmut und Irritationen bei den Landwirtinnen und Landwirten in Herford und Bielefeld gesorgt. Ein in der Folge durchgeführte fachlich fundierte Analyse hat aber gezeigt, dass diese Ausweisung der Gebiete in den allermeisten Fällen falsch war und deshalb zurückgenommen werden musste.
- Klimaschutz ist das zentrale gesellschaftliche Thema der letzten Monate. Gerade wir Landwirte, die die Auswirkungen des Klimawandels bei uns auf den Feldern spüren (trockene Frühjahre und Sommer, aber auch Starkregen), widmen uns diesem Thema. In Deutschland hat die Landwirtschaft einen Anteil von 7,4% am gesamten CO2-Ausstoß. Wir müssen in unseren Bereichen (Tierhaltung, Düngeausbringung) Anstrengungen unternehmen, um die vorgegebenen Klimaschutzziele zu erreichen.
- Wir Landwirte stehen zu den Zielen der EU und Deutschlands beim Klimaschutz. Neben dem Wald hat nur noch der landwirtschaftlich genutzte Boden die Möglichkeit, klimaschädliches CO2 zu speichern. Durch eine Erhöhung des Humusanteil im Boden wir nicht nur die Bodenfruchtbarkeit erhöht, sondern auch CO2 aktiv gespeichert. Dieses wollen wir weiter fördern und auch so unseren Beitrag zum Klimaschutz beitragen. Der Schutz von landwirtschaftlichen Flächen ist somit aktiver Klimaschutz!
- Landwirtschaft bewegt sich in vielen Bereichen. Wir sind beim Klima-, Gewässer-, Boden-, Tier- und Insektenschutz gefragt. Leider ergeben sich bei der Erfüllung aller Ziele auch Konflikte. Maßnahmen, die für einen Bereich positiv sind, können negativ auf einen anderen wirken.
- Wie wir vor Ort sehen, ist aktiver Ressourcenschutz nur mit der Landwirtschaft möglich. Pauschale Verordnungen und Ordnungsrecht sind aus unserer Sicht nicht zielführend und verkennen die unterschiedlichen Situationen vor Ort. Kooperationen mit der Landwirtschaft sind der beste Weg.
Biodiversität und Artenvielfalt
- Die Landwirte im Kreis Herford und der Stadt Bielefeld sind sich ihrer Verantwortung für die Biodiversität und Artenvielfalt bewusst. Wir Landwirte bewirtschaften ca. 50% der Gesamtfläche. Durch den Flächenverbrauch nimmt die landwirtschaftlich genutzte Fläche und somit die Einflussmöglichkeiten der Landwirtschaft immer weiter ab.
- Der Schutz von Bestäubern und Insekten darf aber nicht nur auf die Landwirtschaft reduziert werden, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Flächenfraß, Straßenverkehr, Klimawandel, Lichtverschmutzung und die Gestaltung von privaten und kommunalen Flächen müssen ebenfalls betrachtet werden.
- Die Anlage von Blühstreifen und Blühflächen halten wir Landwirte für eine gute Maßnahme zur Förderung besonders der Insekten, aber auch als Rückzugsgebiet für andere Tiere. Dabei ist für die Landwirte der kooperative, freiwillige Ansatz zielführend, da wir Landwirte in ökologischen Kreisläufen und Zusammenhängen denken und arbeiten. Auf mehr als 150 Hektar (1,5 Mio Quadratmeter) werden auch dieses Jahr im Kreis Herford und der Stadt Bielefeld Blühstreifen und Blühflächen freiwillig von der Landwirtschaft angelegt. Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband und die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft unterstützen einen Teil dieser Anlage von Flächen mit der Aktion „Blühendes Land durch Bauernhand" durch das Sponsoring des Saatgutes. Durch die Aktion „Blühendes Band durch Bauernhand" wurden in diesem Frühjahr nach 2019 und 2020 zum dritten Male Ackerflächen mit einer bestimmten Blumenmischung eingesät. Diese Mischung ist extra für die Aktion zusammengestellt worden. Sie soll durch verschiedene Blühzeitpunkte der einzelnen Pflanzen ein dauerhaftes Blühen auf den Flächen bis in den Herbst garantieren. Dieses ist besonders für die Wildbienen wichtig. Die eingesäte Fläche ist mit über 40 Hektar (400 000 qm) noch größer als letztes Jahr.
- Die Landwirtschaft sieht die Entwicklung gerade der Insekten, aber auch vieler anderer Tierarten mit Sorge. Wir Landwirte sind auf die wertvollen Dienste vieler Insekten besonders als Bestäuber von Pflanzen aber auch als Nützlinge angewiesen. Wir sind mit vielen Initiativen für den Insekten- und Artenschutz aktiv.
ICE-Neubautrasse
Die ICE-Neubautrasse ist ein einschneidendes Thema für die heimische Landwirtschaft, besonders für die Bauern in Vlotho, Löhne und Herford. Wir verschließen uns nicht der Verkehrswende mit mehr Verkehr auf der Schiene. Wir beteiligen uns konstruktiv an den öffentlichen Diskussionen. Wir lehnen aber die Neubautrasse des ICE ab. Wir sind für einen flächenschonenderen Ausbau der Bestandsstrecke.