Flächenverbrauch erfordert innovative Ideen Naturschützer und Landwirte: „Ein weiter so kann und darf es nicht mehr geben, das sind wir nachfolgenden Generationen schuldig"
Ob ICE-Trasse, Straßen-, Infrastrukturmaßnahmen, Gewerbe- oder Wohn-bebauung: Die Nachfrage nach Flächen ist weiterhin groß. Doch in Zeiten von Klimawandel und endlicher Ressourcen gelte es mehr denn je, Flächenverbrauch zu vermeiden. „Der sorgsame, verantwortungsbewusste und vorausschauende Umgang mit unserer Ressource Boden wird in Zukunft in OWL noch wichtiger", so der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe (OWL) Antonius Tillmann. Otmar Lüke, Beisitzer im NABU- Landesvorstand von Nordrhein-Westfalen sowie Vorsitzender des NABU-Kreisverbandes Paderborn, ist gleicher Ansicht: „Wir sind in hohem Maße besorgt über den enormen Verlust wertvoller Flächen sowie wichtiger Lebens-, Nahrungs- und Schutzräume für unsere Tier- sowie Pflanzenwelt." Flächenverbrauch bedeute auch immer einen Verlust an Artenvielfalt. Ein „Weiter so" dürfe es nicht mehr geben, „das sind wir unseren nachfolgenden Generationen schuldig. Wir müssen neue Wege gehen", fordern Landwirtevorsitzender Tillmann und NABU-Vorsitzender Lüke. Beide sehen den neuen Regionalplan OWL, der sich derzeit in der Offenlage befindet, kritisch, weil er einen weiteren ungezügelten Flächen-verbrauch ermöglicht. „Es dürfen nicht mehr beste Ackerböden, wie zum Beispiel in der Nähe der Autobahnauffahrt Paderborn-Zentrum, oder natur-schutzfachlich sensible Flächen, wie beispielsweise an der Autobahnauffahrt Stukenbrock-Senne, für neue Gewerbegebiete geopfert werden."
Tillmann fragt sich: „Wir wissen doch, dass die deutsche Bevölkerung zukünftig nicht großartig wachse. Doch warum verbrauchen wir laufend immer mehr wertvolle Fläche und Natur?" Klimawandel, ressourcen-schonender Umgang, E-Mobilität, nachhaltiger Konsum oder Plastik-vermeidung seien die großen Themen unserer Zeiten. Unverständlich für die heimischen Naturschützer und Landwirte wie belanglos häufig mit unseren fruchtbaren Böden, Natur- und Landschaftsflächen umgegangen werde. Fläche sei nicht beliebig verfügbar, nicht vermehrbar. „Was weg ist, ist unwiederbringlich verloren und steht weder als Natur- und Lebensraum für die Tiere und Pflanzen, noch für die Erzeugung regionaler Lebensmittel dauerhaft zur Verfügung", bringt es Tillmann auf den Punkt.
Gesamtgesellschaftlich weiter denken
„Brauchen wir bei Verkehrs-, Gewerbe-, Wohn- und Städteentwicklung nicht mehr innovative Konzepte, andere Ideen als immer ‚nur' neue Flächen auszuweisen?", fragt Tillmann. Hier muss gesamtgesellschaftlich weiter-gedacht werden. Ein Effekt beispielsweise in diesen Coronazeiten: Durch Homeoffice und digitale Konferenzen habe sich der geschäftliche und berufliche Verkehr verringert. Tillmann ist überzeugt, dass sich diese angestoßene Entwicklung zukünftig auf unsere Verkehrsströme, aber auch auf die Büroflächen auswirken werde.
Die Innenverdichtung, Reaktivierung von Industriebrachen und Altgebäuden, die Nachnutzung, flächensparendes Bauen beim Gewerbe- und Siedlungs-bau wären dringend nötig. In den dünner besiedelten Kreisen in OWL haben wir teilweise erheblichen Leerstand. Oft ist der Abriss von diesen Altgebäuden die einzige Lösung, um Platz für neue Gebäude zu schaffen. Da ist das Land und der Bund in der Pflicht. Das können die Kommunen nicht selbst finanzieren. Echter Ausgleich für Versiegelung ist nur die Entsiegelung. Brauchen wir zukünftig überhaupt noch neue Siedlungshäuser mit Grundstücksflächen von 700-800 Quadratmeter oder braucht es vielleicht neue Konzepte, bei denen Gebäude nach aktuellen Lebenssituationen – Familie mit Kindern oder 2-Personenhaushalt – anpassbar sind? Überlegungen, die in den Großstädten heute schon in die Bauplanung einfließen. Anfangen und Weiterdenken seien die Zeichen dieser, unserer Zeit!
Flächenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe
„Wir als Gesellschaft merken derzeitig in vielen Bereichen, dass wir an unsere Grenzen stoßen", schildert der Landwirtevorsitzende. Jede Zeit habe seine Herausforderungen. Flächenschutz sei eine Gemeinschaftsaufgabe. „Wir müssen uns auf den Weg machen, es dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben", betont NABU-Vorsitzender Lüke. Er und Tillmann fordern zum Schutz unserer wertvollen Natur-, Landschafts- und Lebensräume eine nachhaltige und strategische Entwicklungsplanung. Flächenvermeidung müsse auch beim neuen Regionalplan OWL gelebte Philosophie werden.