28. August 2020

Wohin geht die Reise? Stehen die heimischen Bauern vor einer Zeitenwende?

OWL /WLV (Re) Nicht kostendeckende Erzeugerpreise, immer neue Gesetze, überbordende Auflagen und immer mehr das Hin und Her der Politik: Verschärfungen der Nutztierhaltungs-Verordnung, Ackerbau- und Nachhaltigkeitsstrategie, Farm-to Fork, Green Deal etc. - die heimischen Bauern kommen längst nicht mehr nach. „Immer kommt noch was oben drauf", so der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes OWL Antonius Tillmann. Klimawandel, Strukturwandel, Digitalisierung, steigende Ansprüche: Die heimischen Bauern stehen vor einer Zeitenwende. „Eine von unterschiedlichen gesellschaftlichen Instanzen geforderte Transformation kann allerdings nicht von den Landwirten allein getragen werden", verdeutlicht Tillmann. Höhere Ansprüche an die Landwirtschaft, an Tierhaltung und Ackerbau kosteten mehr Geld und es werde nicht an der Kasse vom Verbraucher zu erzielen sein. „Wir reden hier nicht von einem Wunschkonzert. Wir müssen mit unseren Familien von unseren Erzeugnissen, von unserer Arbeit, leben können", verdeutlicht Tillmann.

Zukunftskonzepte sind erforderlich, die Planungs-und Rechtssicherheit bieten und den jungen Hofnachfolgern Mut machen. Wir müssen einen Weg finden, Ernährungssicherheit, gestiegene Anforderungen an Tier und Umwelt und den Erhalt unserer Höfe miteinander zu verbinden", so der Vorsitzende. Diese Frage müssen mit Politik und Gesellschaft diskutiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden, die für alle tragbar sind. „Wir stehen in einem globalen Wettbewerb." Der Lebensmitteleinzelhandel kaufe weltweit ein.

Die Corona Krise habe uns gezeigt, dass eine krisenfeste, flächendeckende Landwirtschaft zur Nahrungssicherung der heimischen Bevölkerung wichtig sei. „Wir brauchen einen konstruktiven Dialog und eine Standortstrategie, die die Lebenswirklichkeit und Marktrealitäten berücksichtigt", betont Tillman. Mehr noch: „Wir brauchen das breite gesellschaftliche Bewusstsein und die Bereitschaft etwas ändern zu wollen und dann auch noch gute Ideen für die Transformation."

Sorgen der Sauenhalter

Am Beispiel der Sauenhalter erläutert der Vorsitzende das Dilemma. Die jetzt vom Bundesrat beschlossene Neufassung der Tierschutz – Nutztierhaltungsvorordnung mutet vor allem den Sauenhaltern viel zu. Auf die Branche kommen Investitionen im Milliardenbereich zu, allerdings ohne Mehrerlös. Relativ zeitnah sind bei den Ställen größere Baumaßnahmen notwendig und das bei sich widersprechendem Baurecht. „Nach jetzigem Stand bekommen viele Höfe keine Baugenehmigung, deshalb muss das Baurecht dringend geändert werden", fordert Tillmann. Völlig unverständlich sei zudem die fehlende Praktikabilität. Dadurch würde das ohnehin starke Höfesterben noch enorm beschleunigt. „Damit aus hehren Umbauplänen keine Abbaupläne werden, müssen doch die Sauenhalter auf dem Weg in die Zukunft mitgenommen werden", so Tillmann. Das Bestreben müsse doch sein, die Tierhaltung in Deutschland zu halten, Ställe nachhaltig umzubauen und Bauern eine Perspektive zu geben. Das sei immer besser als Lebensmittel aus dem Ausland zu importieren, wo die gesetzlichen Standards mitunter schlechter seien.

„Wir Bauern wollen die Tierhaltung auf unseren familiengeführten Höfen halten, denn wir glauben, die Verantwortung für Tier und Natur liegt hier in guten Händen", sagt Tillmann. Er fragt sich aber: „Ist der bäuerliche Familienbetrieb überhaupt noch gewünscht? Er gibt zu bedenken: Sind es nicht gerade sie - die seit Generationen geführten Höfe - die verantwortungsbewusst für Mensch, Tier und Natur hochwertige Lebensmittel hierzulande erzeugen, unsere Kulturlandschaft und den ländlichen Raum erhalten?" Der von vielen Gruppen gewünschte Umbau der Landwirtschaft müsse doch so gestaltet werden, dass die Höfe diesen auch schaffen und durchhalten würden. Denn: „Immer wenn ein Hof stirbt, stirbt weit mehr als nur ein Stück Tradition auf dem Lande. Ist dieses gesellschaftlich und politisch gewollt?"