10. Dezember 2021

Wohin steuert die heimische Landwirtschaft? Tillmann: „Deutschland braucht die Tierhaltung, alles andere ist nicht nachhaltig"

OWL/WLV (Re) Nicht auskömmliche Erzeugerpreise, Schweinekrise, immer neue Auflagen, Gesetze, Green Deal, Klimawandel, Globalisierung: Für die Landwirtschaft steht viel auf dem Spiel. Wie kann ein Wandel gelingen? Um diese Themen ging es in einem Pressegespräch des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe (OWL).

Große Ziele wie der Klimaschutz und nicht weniger als der gesamte Umbau der Tierhaltung kennzeichnen den von der Ampel-Bundesregierung vorgelegten Koalitionsvertrag. Die „Transformation" beschreibt die Mammutaufgabe, bei den Bauern viel abverlangt wird. „Wir befinden uns an einem großen Wendepunkt, insbesondere in der Tierhaltung", erklärt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes OWL Antonius Tillmann.

Vor allem die Schweinehalter kämpfen seit Monaten mit einer Gemengelage aus desaströsen Erzeugerpreisen, explodierenden Produktions- wie Futterkosten, Absatzschwierigkeiten durch Corona und die Afrikanischen Schweinepest. Zudem könnten die Landwirte nicht mal eben, von heute auf morgen ihre Haltung verändern", schildert stellvertretender Bezirksverbandsvorsitzender Rainer Meyer. Er unterstreicht die Bereitschaft der Bauern für eine Weiterentwicklung in der Landwirtschaft sowie in der Tierhaltung. Doch die Neuerungen kosteten viel Geld, das auf den Höfen nicht vorhanden ist. „Es muss allen bewusst sein, dass höhere Anforderungen auch bezahlt werden müssen", unterstreicht Meyer. Auch der politische Rahmen müsse stimmen. „Eine Weiterentwicklung der Tierhaltung braucht neben Planungssicherheit und eine langfristige Finanzierung auch eine Genehmigungsfähigkeit durch ein Bau- und Umweltrecht, das Tierwohlställe wie Offenfrontställe ermöglicht", schildert Tillmann.
„Die Politik muss endlich Farbe bekennen, wenn sie eine Lebensmittelerzeugung und Landwirtschaft in Deutschland erhalten möchte." Die Zeit der Lippenbekenntnisse sei vorbei. „Noch haben wir die heimischen Höfe", so Tillmann. Es müsse jetzt etwas passieren, sonst sei es zu spät.

Wie wichtig sind Nutztiere?

Deutschland brauche auch weiterhin eine Tierhaltung, „alles andere ist nicht nachhaltig", bringt des Tillmann auf dem Punkt. „Wir benötigen Nutztiere, denn sie machen erst nicht essbare Biomasse für den Menschen nutzbar. Auf unseren Feldern können wir nicht nur Brotgetreide anbauen." Eine nachhaltige Fruchtfolge bestehe ebenso aus Ackerfrüchten wie zum Beispiel Silomais, Wintergerste, Triticale (Kreuzung aus Roggen und Weizen). „Außerdem hatten wir dieses Jahr durch die feuchte Witterung erhebliche Qualitätsprobleme beim Brotgetreide", erläutert der Vorsitzende. Was nicht in der Backstube zu verwerten sei, wandere in den Futtertrog. Ebenso Produkte, die in der Lebensmittelherstellung anfallen würden wie beispielsweise Möhrentrester bei der Möhrensaft-Gewinnung, Sojapülpe und Haferpülpe bei der Herstellung von Soja- und Hafermilch und nicht zuletzt Biertreber beim Bierbrauen. „Daraus machen unsere Tiere hochwertige Nahrungsmittel", so Tillmann. „Alternativ können wir diese Futtermittel nur der Kompostierung zuführen." Das mache keinen Sinn.

„Bauernfamilien müssten von ihrer Arbeit leben können", fordert Tillmann. Nur dann könnten Landwirte die gewünschten Leistungen der Gesellschaft erbringen. „Im Zeitalter von Klimawandel sind Land- und Forstwirte mehr und mehr als Klima- und Energiewirte gefragt, die CO2 in Böden und Wäldern binden, aus Biomasse, Wind und Sonne Bioenergie produzieren und neue Ackerkulturen für eine eiweißreiche Ernährung anbauen", verdeutlicht der Landwirte-Vorsitzende.

Die großen gewünschten Veränderungsprozesse seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Umbau der Landwirtschaft sei ein langer Prozess, auch im Hinblick auf Investitionszeiträume. Hier müssen gemeinsame Lösungen her! Jetzt!