29. März 2022

Ukraine-Krieg mit Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung

"Der traurige Hintergrund des Ukraine-Krieges zwingt uns dazu, in vielen Bereichen - auch in dem der Nahrungsmittelversorgung - neu zu denken", sagte der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe Hans-Heinrich Wortmann im Rahmen eines Pressetermins am Dienstag zur den Auswirkungen des Ukraine-Krieges. „Kurz- und mittelfristig wird es hier bei uns zwar aller Voraussicht nach nicht zu massiven Versorgungproblemen kommen, an produktbezogene Engpässe, wie sie aktuell beispielsweise bei Mehl und Öl bestehen, werden wir uns aber möglicherweise gewöhnen müssen", sagte der Landwirt.

Der grausame Krieg verursache unsagbares Leid der Menschen in der Ukraine. Er führe aber auch zu Marktverwerfungen in vielen Bereichen – auch wenn das in keinem Verhältnis zum Leid der direkt vom Krieg Betroffenen stehe, bewege es viele Menschen in der Region, so Wortmann.

Hintergrund

Russland und die Ukraine gehören zu den weltweit wichtigsten Exporteuren für Getreide und Ölsaaten. Der Anteil beider Länder am weltweiten Export liegt bei Weizen bei 28 Prozent, bei Sonnenblumenöl bei 65 Prozent. „Aktuell kommt aus diesen Ländern kaum noch etwas heraus," sagte der Landwirtevorsitzende, aber auch die kommende Ernte werde zumindest für die Ukraine zum großen Problem werden. In der ukrainischen Landwirtschaft fehle es für die nun anstehende Aussaat an allem: Die Menschen und damit Arbeitskräfte fehlten bedingt durch die Generalmobilmachung auf den Äckern. Diesel werde einerseits für das eigene Militär benötigt, andererseits würden auch von Plünderungen der russischen Streitkräfte berichtet. Es fehle an Strom und an Dünger und auch Munitionsreste und Blindgänger auf den Feldern seien ein großes Problem, sagte Wortmann.

Was bedeutet das?

„Getreide wird für viele Länder zur Mangelware werden", sagte Wortmann und führte weiter aus: „Die Nahrungsmittelpreise steigen und internationale Organisationen warnen vor einer Hungerkrise besonders in den ärmeren Ländern der Erde und denen, die stark vom Import abhängig sind." Zunehmend gerate auch bei uns die mögliche Verknappung von Nahrungsmitteln in die Diskussion; Öl, Mehl und Nudeln fehlen in vielen Regalen. „Engpässe bei verschiedenen Produkten werden wir in nächster Zeit nicht ausschließen können, von wirklichen Versorgungsengpässen für unsere Verbraucher gehen wir allerdings kurz- und mittelfristig nicht aus", sagte er. Der Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Heinz-Wilhelm Büscher gab zu bedenken, dass Hamsterkäufe die Engpässe deutlich verstärken und teilweise auch erst verursachen würden. Weniger Hamstern und mehr Flexibilität beim Einkaufen und beim Kochen sei gefragt, sagte er.

„Wir dürfen aber nicht nur regional denken, sondern müssen auch die weltweite Versorgung der Menschen im Blick behalten", sagte Landwirt Wortmann. Das sei die Verpflichtung der reichen Länder.

Was ist zu tun?

„Genau wie im Energiebereich müssen wir auch hier neu denken", sagte Wortmann. Die Sicherung der Ernährung sei in den letzten Jahren und Jahrzenten politisch sehr stark in den Hintergrund gerückt. So sehe beispielweise die neue, ab 2023 geltende EU-Agrarpolitik vor, dass vier Prozent der Fläche stillgelegt werden müssten, darauf also keine Nahrungsmittel angebaut werden dürften. „Das ist meiner Ansicht nach heute so nicht mehr vertretbar," sagte Wortmann. Die geplante Stilllegungsverpflichtung müsse vor dem Hintergrund drohender Versorgungsengpässe mit Nahrungsmitteln überprüft werden. „Ökologie und Biodiversität sind uns Landwirten wichtig, aber Ernährungssicherheit darf nicht weiter vernachlässigt werden", so Hans-Heinrich Wortmann. Nun seien intelligentere Lösungsansätze als einfach nur „Stilllegen" gefragt. „Wir Landwirte können bei knapper Versorgung mit hohen Getreidepreisen leben", sagte der Vorsitzende und führte weiter aus: „Aber wir haben eine moralische Verantwortung für alle Menschen." Deshalb sei die Sicherung der Ernährung von höchster Priorität.