Intensive Diskussion über Zukunft der Landwirtschaft mit oder ohne Tierhaltung

„Nutztiere - Klimaschutz - Biodiversität – Passt das zusammen?“. Diese Frage zog die heimischen Landwirtinnen und Landwirte in großer Zahl in die Gemeinschaftshalle in Oestinghausen.
Rund 400 Bauern, Bäuerinnen sowie weitere Gäste waren am Mittwochmorgen zum Kreisverbandstag, zu dem der Landwirtschaftliche Kreisverband Soest eingeladen hatte, zusammengekommen.
Landwirtevorsitzender Josef Lehmenkühler machte in seiner Begrüßung auf die Notwendigkeit einer gesicherten heimischen Nahrungsmittelversorgung aufmerksam: „Aber die Fehler, die wir bei der Energieversorgung gemacht haben, wiederholen derzeit wir mit der deutschen Landwirtschaft; wir machen uns zunehmend vom Ausland abhängig", sagte er. Lehmenkühler stellte zudem die Frage, ob das politische Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft ernst gemeint sei. „Uns Landwirten ist das Vertrauen in politische Zusagen abhandengekommen und mit dem Vertrauen sind auch die Perspektiven weg,“ sagte er. Als ein Beispiel nannte er die politische Zusage, die es bei der Ausweisung des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde gegeben habe, dass Landwirtschaft im Schutzgebiet weiter nach guter fachlicher Praxis möglich sei. Jetzt aktuell aber werde diese durch einen Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission, der ein komplettes Pflanzenschutzverbot in diesem Gebiet vorsehe, mit Füßen getreten.
Der Gastreferent Prof. Dr. Wilhelm Windisch (Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen Universität München), verstand es, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Vor dem Hintergrund von Klimaschutz und Nahrungsmittelkonkurrenz beleuchtete er die landwirtschaftliche Tierhaltung. „Wir brauchen auch in Zukunft ein Gleichgewicht zwischen Pflanzenbau und Tierhaltung", sagte er. Ein Kilogramm vegane Biomasse erzeuge mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse, so Windisch. So gebe es in der Verarbeitung vieler Nahrungsmittel Nebenprodukte, die zwar dem Tier, aber nicht dem Menschen als Nahrung dienen könnten. Als Beispiel nannte er Rapsöl. Beim Pressen der Rapskörner falle - neben dem für die menschliche Ernährung geeigneten Öl - zu mehr als 50 Prozent Rapsschrot an. Das sei nicht für die menschliche Ernährung geeignet, aber ein gutes Futtermittel für Tiere. Zudem gebe es Koppelprodukte wie Stroh. Auch in einer gesunden Fruchtfolge gebe es neben Nahrungsmitteln Kulturen, die Futterpflanzen seien. Und absolutes Grasland, das nicht ackerfähig sei, sei ausschließlich durch Wiederkäuer wie Rinder, Schafe oder Ziegen zu verwerten. „Wir dürfen diese wertvolle Biomasse nicht verschwenden", appellierte er. Die Landwirtschaft müsse im Gleichgewicht stehen und die Erzeugung von Nahrungsmitteln und die Verwertung der Biomasse in der Reihenfolge Teller, Trog und dann Tank erfolgen. Das bedeute, zuerst müsse man möglichst viel an pflanzlichen Lebensmitteln erzeugen. Die nicht-essbare Biomasse, die dabei automatisch anfalle, sollten wir an Nutztiere verfüttern, sagte er. Und was dann noch übrigbleibe, komme in die Biogasanlage. „Auf diese Weise erzeugen wir aus einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche die meiste Menge an Nahrung, bei einem Minimum an Emissionen und einem Maximum an Nachhaltigkeit", so Prof. Windisch.
Bericht aus der Geschäftsstelle:
Kreisgeschäftsführer Burkhard Schröer, der beim Kreisverbandstag sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, ließ das letzte Jahr Revue passieren. „Ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit lag im letzten Jahr und liegt auch noch in diesem Jahr darin, mit Politikern über den Vorschlag der EU-Kommission, Pflanzenschutzmittel in allen Schutzgebieten zu verbieten, zu sprechen. Mehr als 90 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Kreis Soest und damit in einer „Top-Ackerbauregion“, sei davon betroffen. Ein pauschales Verbot sei vor dem Hintergrund der Ernährungssicherheit nicht verantwortbar und für den Schutz der Biodiversität überhaupt nicht zielführend.