Stellungnahme der Hellwegbörde
Die Kreisverbände der Hellwegbörde (Soest, Paderborn, Ruhr-Lippe) haben sich neben DBV und WLV zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz positioniert
Bis zum Freitag, dem 3. Mai, bestand die Möglichkeit, sich zum „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ des Bundesministeriums im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zu äußern.
Neben DBV und WLV haben auch wir, die drei Kreisverbände der Hellwegbörde (Soest, Paderborn, Ruhr-Lippe) unsere Position dem Ministerium mitgeteilt. Folgend unsere regionale Stellungnahme:
Sehr geehrter Herr Minister Özdemir,
wir Landwirtinnen und Landwirte des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde nehmen zum Reduktionsprogramms Pflanzenschutz wie folgt Stellung:
Wir unterstützen die Position des Deutschen Bauernverbandes und des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes e.V. in vollem Maße, möchten aber zudem auf die Besonderheit der Hellwegbörde eingehen, da schon in der Vergangenheit, so beispielsweise im Rahmen des sogenannten Aktionsprogramms Insektenschutz 2019 und der Planungen zur SUR auf Europäischer Ebene 2022 unser Vogelschutzgebiet Hellwegbörde im Fokus stand:
In Unruhe versetzt hat uns die Formulierung der Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines „Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“. Hier steht in Zeile 30, dass der Biodiversitätsschutz in Schutzgebieten wirksam auszugestalten ist. In Zeile 45 werden ordnungsrechtliche Regelungen als Teil der Reduktionsstrategie genannt. Dies hat bei uns die Befürchtung geweckt, dass wieder erhebliche Restriktionen in Vogelschutzgebieten, die ja auch in die Kategorie Natura 2000 fallen, in der Diskussion stehen.
Die Hellwegbörde erstreckt sich als ein fruchtbares Band entlang des Hellwegs zwischen dem Sauerland und dem Münsterland. Der bekannteste Teil der Hellwegbörde ist wohl die Soester Börde. Die Börde verfügt über die fruchtbarsten Böden. Hier sind auch in Dürreperioden noch akzeptable Ernten mit einem vergleichsweise geringen Energieaufwand und kaum Bewässerung, also sehr ressourcenschonend, zu erzielen.
Hier in der Börde wird seit je her Ackerbau betrieben, die fruchtbaren Böden eignen sich für die meisten Pflanzen unserer Klimazone. Durch die landwirtschaftliche Nutzung hat sich eine Kulturlandschaft entwickelt, die Lebensraum für viele Tierarten ist. So sind beispielsweise verschiedene Vogelarten auf die offene Feldflur und damit auf diese Landschaftsform angewiesen. 2004 wurden große Teile der Hellwegbörde als Europäisches Vogelschutzgebiet mit einer Fläche von ca. 48.000 ha ausgewiesen. Viele der geschützten Vogelarten des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde sind Vögel der offenen Feldflur. Sie sind auf die über Jahrhunderte von Bauernfamilien geschaffene Kulturlandschaft und die hier angebauten Früchte angewiesen.
Zu starke Einschränkungen des Pflanzenschutzes im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde hätte verschiedene extrem negative Auswirkungen:
Viele Kulturen, wie Gemüse, Kartoffeln oder Raps wären nicht mehr anbaufähig und würden aus den Fruchtfolgen verschwinden, so hat es ein Gutachten der Soester Fachhochschule von Professor Dr. Friedrich Kerkhof aus dem Jahr 2023 ergeben. Der Anbau von Kartoffeln wäre nicht mehr wirtschaftlich, die relative Wettbewerbsfähigkeit von Mais würde hingegen zunehmen, so belegt das Gutachten. Im Gemüseanbau würde das Anbaurisiko durch Schädlinge und Schadpilze erheblich ansteigen. Beim Gemüse kommt es zu hohen Ertragsminderrungen von mindestens 30 % bis hin zum Totalausfall, so Prof. Dr. Kerkhof. Im Gemüseanbau spielt zudem die Einhaltung der Qualitätsparameter für die Vermarktung eine zentrale Rolle. Werden diese nicht erfüllt, kann die Ware nicht vermarktet werden. Beim Verzicht auf den chemischen Pflanzenschutz würde der Anbau vieler Gemüsearten deshalb aufgegeben oder lohnt sich nur bei sehr hohem Preisniveau. Der ohnehin bereits geringe Selbstversorgungsgrad beim Gemüse würde demnach weiter sinken.
Auf lange Sicht würde nicht nur die Versorgung mit heimischen Nahrungsmitteln, sondern auch die Biodiversität deutlich reduziert.
Alternative mechanische und thermische Unkrautbekämpfungsmaßnahmen würden in unserem Vogelschutzgebiet Hellwegbörde besonders die Gelege der Bodenbrüter zerstören und Junghasen gefährden. Zudem wirken thermische Maßnahmen nicht selektiv, sondern zerstören alle Lebewesen.
Viele Ziele des Zukunftsprogramms sind auch uns Landwirtinnen und Landwirten wichtig und wir arbeiten mit Unterstützung der Wissenschaft schon seit vielen Jahren daran; die Stärkung des Integrierten Pflanzenbaus, die Züchtung weniger anfälliger Sorten, die Stärkung der Pflanzengesundheit und der Einsatz moderner Technik sind hier nur einige Beispiele. An einer weiteren Reduzierung sind wir Bauernfamilien der Hellwegbörde extrem interessiert, aber Landwirtschaft benötigt einen eigenverantwortlichen Spielraum, der intelligenten und integrierten Pflanzenschutz möglich macht. Vorgegebene Reduzierungen oder gar Verbote sind nicht zielführend.
Herzliche Grüße,
für die Landwirtinnen und Landwirte im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde:
Hubertus Beringmeier
Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes e.V.
Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Paderborn
Thomas Döring
Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe (Bochum, Dortmund, Hamm, Herne, Kreis Unna)
Josef Lehmenkühler
Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest