Das landwirtschaftliche Jahr 2023 | 28. Dezember 2023

Nass und politisch eine Herausforderung

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Landwirtevorsitzender Dirk Kalthaus: 2023 war von zwei Faktoren geprägt, von extrem viel Regen und einer fachlich nicht fundierten Agrarpolitik

Ennepe-Ruhr/Hagen (wlv). „Das Jahr 2023 war für uns Bauernfamilien besonders von zwei Faktoren geprägt: Extrem viel Regen und eine fachlich nicht fundierte Agrarpolitik. Während der Regen eine gute und eine schlechte Seite hatte, mussten wir 2023 bei der Agrarpolitik die positiven Seiten leider lange suchen“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ennepe-Ruhr/Hagen Dirk Kalthaus.

Der Regen in Hülle und Fülle habe viel Futter für die Tiere, aber sehr schwierige Erntebedingungen und zudem kaum Brotgetreide gebracht.

Der Agrarpolitik fehle leider immer stärker das fachliche Fundament und so habe sie besonders in 2023 die heimische Landwirtschaft mit nicht praktikablen Vorhaben heimgesucht.

Regen ohne Ende

„Extrem nass – so werden wir Landwirtinnen und Landwirte das Jahr 2023 noch lange in Erinnerung behalten“, sagt Kalthaus. Die massiven Niederschläge hätten zwar die Grundwasserspeicher aufgefüllt und auch für ausreichend Futter gesorgt, die Feldarbeiten aber stark beeinträchtigt. „Zu Beginn des Jahres konnten wir mit den Winter- und Frühjahrsarbeiten nur stark verzögert starten, da die Felder nicht befahrbar waren“, erinnert er sich. Im Sommer habe dann vier Wochen Dauerregen das reife Getreide auf dem Halm auf die Ernte warten lassen, was dazu geführt hätte, dass die Backeigenschaften von Weizen und Roggen häufig so beeinträchtigt worden seien, dass das Getreide nicht mehr zum Backen, sondern nur noch als Tierfutter habe genutzt werden können. Im Herbst habe der nicht endende Regen dazu geführt, dass Kartoffeln, Mais und verschiedene Gemüsearten nur schwer und verzögert hätten geerntet werden können.

Politik hat extremere Auswirkungen als das Wetter

„So stark, wie uns das Wetter in diesem Jahr auch beeinträchtigt hat, politische Vorhaben und Beschlüsse treffen uns Bauernfamilien um einiges mehr“, sagt der Landwirt. Mit der Natur und dem Wetter würden die Bauern seit ewigen Zeiten leben. Früher hätte ein Jahr wie dieses zu extremen Missernten und Hungernöten geführt. „Heute sind wir froh, dass wir durch Züchtung, Technik und Pflanzenschutz die Ernte zumindest nicht komplett verlieren“, so der Landwirt.

Politik braucht wieder Fachkenntnis

Unberechenbar sei die Agrarpolitik geworden, denn wie in vielen anderen politischen Bereichen auch, fehle dort der Fachverstand, so der Landwirt. Vieles sei gut gemeint, aber ohne fachliches Wissen sei „gut gemeint“ häufig das Gegenteil von „gut gemacht“. So würde beispielweise seit 2023 von den Landwirten gefordert, dass auf dem überwiegenden Teil ihrer Fläche am 15. November schon wieder eine neue Frucht wachsen müsse. „Wie sollen wir das denn machen, wenn wir aufgrund des regnerischen Wetters die Vorfrüchte noch nicht ernten konnten?“ stellt er die Frage. Den folgenden Weizen könne man logischerweise erst dann säen, wenn die vorhergehende Frucht geerntet sei.

„Das Fass zum Überlaufen brachten kurz vor Weihnachten gleich zwei geplante Vorhaben der Bundesregierung im Zuge der Haushaltskonsultierungen: die Streichung der Agrardieselkonditionen sowie die Rücknahme der Kfz-Steuerbefreiung“, so Kalthaus.

Kalthaus kündigt Aktionswoche an

Die Schmerzgrenze sei mehr als erreicht, kritisiert Kalthaus. „Es reicht, genug ist genug“, sagt der Landwirtevorsitzende und kündigt eine bundesweite Aktionswoche der Landwirtschaft ab dem 8. Januar an, an der sich auch die Landwirtsfamilien der Region Ennepe-Ruhr/Hagen beteiligen werden. „Wir Bauernfamilien können nicht zum Spielball der Politik gemacht werden“, sagt er. „Der Politik scheint es gleichgültig zu sein, wenn bäuerliche Betriebe hier nicht mehr überleben können und die Selbstversorgung unserer Bevölkerung gefährdet wird. Es ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wenn auf unseren landwirtschaftlichen Gunststandorten die Erzeugung gezielt reduziert und in andere Teile der Welt verlagert wird, wo auf vergleichsweise schlechteren Standorten unter höherem Ressourcenverbrauch und einem deutlichen Mehr an Emissionen gewirtschaftet wird.“ Es sei dringend an der Zeit, dass Praktiker mehr Gehör finden und ihre Expertise vermehrt in politische Entscheidungen einfließe.