Dank, Herausforderungen und Perspektiven für die Landwirtschaft
Vestischer Erntedank auf Gut Eickenscheidt in Waltrop
Mit dem traditionellen Vestischen Erntedank haben die Landwirtinnen und Landwirte im Vest Recklinghausen symbolisch den Abschluss der diesjährigen Erntesaison begangen. Der feierliche Akt steht nicht nur für den Dank an die Natur und eine erfolgreiche Ernte, sondern auch für die enge Verwurzlung der Landwirtschaft in der Region und die Gemeinschaft der Menschen, die sie tragen.
Im Rahmen der Feierlichkeiten fand ein intensiver Austausch über die aktuelle Lage in der Landwirtschaft statt. Im Fokus standen dabei die Herausforderungen des Klimawandels, das aktuelle Seuchengeschehen, die Preisentwicklung auf den Agrarmärkten sowie die gesellschaftliche Bedeutung der regionalen Landwirtschaft.
Landrat Klimpel: Landwirtschaft ist systemrelevant
Landrat Bodo Klimpel würdigte in seiner Ansprache die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte im Kreis und betonte deren zentrale Bedeutung: „Das Erntedank-Fest ist ein starkes Symbol für Dankbarkeit, Gemeinschaft und die Verwurzelung der Landwirtschaft in unserer Region. Es erinnert uns daran, dass die Landwirtschaft nicht nur für unsere Ernährungssicherheit sorgt, sondern auch unsere Landschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Vest Recklinghausen maßgeblich prägt.“
Mit seinem Dank verband Klimpel die Aufforderung, die Anliegen der Landwirtschaft ernst zu nehmen und gemeinsam tragfähige Lösungen für die anstehenden Herausforderungen zu entwickeln.
Erntebilanz 2025: Witterung als entscheidender Faktor
In ihrer ausführlichen Erntebilanz blickte Regina Böckenhoff, Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Recklinghausen, auf ein insgesamt zufriedenstellendes Jahr zurück – trotz extremer Witterungsbedingungen: „Nach guten Aussaat- und Aufwuchsbedingungen mit milden Temperaturen im Herbst und Winter 2024/2025 war das Frühjahr zeitweise durch ausgeprägte Trockenperioden geprägt. Der Regen im April kam für die meisten Regionen gerade noch zur rechten Zeit, um die Bestände weiter gedeihen zu lassen.“
Die entscheidende Witterung ab Juli ermöglichte eine trockene Einfuhr des Getreides – im Gegensatz zum Vorjahr, in dem häufig Lagergetreide zu verzeichnen war. Insbesondere Raps überzeugte mit überdurchschnittlichen Erträgen und hohem Ölgehalt, auch wenn sich durch die lange Blütezeit die Ernte verzögerte.
Bei Sonderkulturen wie Erdbeeren und Spargel lagen die Erträge im durchschnittlichen Bereich, bei gleichzeitig hoher Qualität. Die Ernte von Zuckerrüben und Kartoffeln verlief planmäßig. Beim Mais kann von einer sehr langen Erntesaison gesprochen werden, da auf trockenen Standorten durch Hitze der Mais frühzeitig reif wurde und auf nasseren Standorten mit besseren Böden der Körnermais erst in den letzten Tagen geerntet wurde. Bei Kartoffeln kam es zu Preiseinbrüchen auf den Märkten.
Ertragsplus durch kluges Timing und natürliche Bedingungen
Die guten Erträge seien – so Böckenhoff – vor allem auf eine günstige Kombination aus mehreren Faktoren zurückzuführen:
Ein trockenes Frühjahr, das den Infektionsdruck durch Pilzkrankheiten geringhielt
Frühzeitige Anpassung der Pflanzen an trockene Bedingungen
Niederschläge zur rechten Zeit, insbesondere zur Ährenanlage
Überdurchschnittliche Sonnenstunden nach der Blüte
Kühle Nächte, die die Kornbildung förderten
Wirtschaftliche Lage: Ackerbau weiterhin unter Kostendeckung
Trotz stabiler bis guter Erntemengen bleibt die wirtschaftliche Situation vieler Betriebe angespannt. Die Vorsitzende des Kreisverbandes spricht Klartext: „Der internationale Wettbewerb erhöht den Preisdruck zusätzlich. Gleichzeitig sind die Betriebsmittelkosten – insbesondere für Diesel, Dünger und Energie – weiterhin hoch. Für viele Betriebe ist der Ackerbau nach wie vor nicht kostendeckend.“
Tierhaltung: Gute Marktlage – aber strukturelle Unsicherheiten
Anders stellt sich die Lage bei den tierischen Erzeugnissen dar. Hier zeige sich aktuell eine zufriedenstellende Marktlage, erläuterte Böckenhoff, mit guter Nachfrage auf dem Fleischmarkt und Milchpreisen von rund 50 Cent pro Liter.
Dennoch belasten strukturelle Herausforderungen die Tierhalterinnen und Tierhalter. Besonders zwei Themen stehen im Fokus:
Seuchengeschehen: Die Afrikanische Schweinepest im Raum Südwestfalen sorgt für Besorgnis und erhöhten Aufwand in der Umsetzung von Biosicherheitsmaßnahmen.
Tierwohl und Umbau der Tierhaltung: „Der notwendige Umbau der Tierhaltung gelingt nur, wenn alle Betriebe – ohne Ausnahme – Zugang zu einer fairen und verlässlichen Förderung haben“, betont Böckenhoff. „Tragfähige Konzepte und durchdachte Förderprogramme sind essenziell, um die Investitionsbereitschaft in den Betrieben zu sichern und die heimische Tierhaltung zu stärken.“
Landwirtschaft entwickelt sich ständig weiter
„Wir Landwirte arbeiten seit jeher im Einklang mit der Natur und spüren die Auswirkungen des Klimawandels unmittelbar“, betont Betriebsinhaber Markus Eickenscheidt. „Mit Engagement, Fachwissen und neuen Strategien stellen wir uns den Herausforderungen – ob beim Anbau, bei der Ernte oder in der Tierhaltung. Dabei sind wir bereit, uns den Erwartungen der Gesellschaft zu stellen. Doch wer mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit fordert, muss auch bereit sein, dies mitzutragen. Unsere regionalen Produkte sind ein Angebot an die Verbraucher – für eine verantwortungsvolle und zukunftsfähige Landwirtschaft.“
Ausblick: Landwirtschaft braucht Planungssicherheit und gesellschaftliche Unterstützung
Die Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft im Vest Recklinghausen blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Einerseits gibt es Anpassungserfolge und technische Fortschritte, andererseits steigen politische Anforderungen, Kosten und gesellschaftliche Erwartungen. „Wir brauchen eine verlässliche Politik, die die Landwirtschaft nicht nur fordert, sondern auch fördert“, so Böckenhoff. Gleichzeitig sei man sich der Verantwortung gegenüber Gesellschaft, Umwelt und Tieren bewusst – und bereit, den notwendigen Wandel mitzugestalten.
Aufgrund der internationalen Lage hat sich der Schwerpunkt in der Politik geändert. In den Vordergrund rückt die Sicherheit. Ein wichtiger Aspekt ist somit auch die Ernährungssicherheit als neuer Schwerpunkt in der Politik, die sowohl in Deutschland als auch in Europa gewährleistet werden muss.
Dank an die Landwirtinnen und Landwirte
Zum Abschluss der Veranstaltung galt der Dank allen Beteiligten: den Landwirtinnen und Landwirten für ihren täglichen Einsatz, der Bevölkerung für das Vertrauen in regionale Lebensmittel – und allen, die sich für eine lebenswerte, nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft im Vest Recklinghausen einsetzen.