29. August 2022

50 Teilnehmende bei Ukraine-Abend des Junglandwirteforums

Welche Auswirkungen der Ukrainekrieg im großen wie im kleinen auf die Landwirtschaft hat, zeigte eine Veranstaltung des Junglandwirteforums Borken am letzten Dienstag auf dem Hof Bienias in Gescher. Rund 50 Teilnehmende (davon 15 per Online-Zuschaltung) verfolgten die eindrucksvollen Schilderungen des ukrainischen Landwirts Andre Pastuschenko und von Agravis-Vorstandsmitglied Jan Heinicke.

Der 39-Jährige Pastuschenko bewirtschaftet in der Nähe von Odessa einen Betrieb mit Milchvieh und Ackerbau. Seit rund zwei Monaten liegen Hof und Ackerflächen auf von russischem Militär besetztem Gebiet. Daher kann der mit seiner Familie Ende März nach Deutschland geflohene Betriebsleiter seine Farm aktuell nur per Telefon führen.

Eine Stecknadel kann man im Gastraum des Bauernhof-Cafés fallen hören, als Pastuschenko unter anderem davon berichtet, wie er zu Kriegsbeginn seine und die Kinder von Angestellten in Sicherheit gebracht hat über Straßen, auf denen immer wieder Leichen zu sehen waren. Zur Erntezeit habe sein Betrieb circa 100 ha nicht dreschen können, weil die Felder durch Kämpfe verbrannt waren. Durch fehlenden Dünger und Spritzmittel seien die Erträge deutlich geringer. Den Diesel kaufe sein Betrieb sehr günstig direkt von der russischen Armee. Deren Frontsoldaten stammen Pastuschenko zufolge fast alle aus den ärmeren Regionen der russischen Föderation, etwa aus Dagestan oder Tschetschenien, wo es häufig kein fließendes Wasser und selten Strom gebe. Pastuschenko berichtet, dass die russischen Kämpfer auch Maschinen entwenden, wie zum Beispiel einen nagelneuen Sieben-Schar-Lemken-Pflug, den sie dann für 450 Dollar weiter verkaufen. Das gleiche geschehe mit Traktoren, die auf dem Schwarzmarkt häufig dann für wenige hundert Euro weitergegeben werden. Der ukrainische Landwirt hofft, dass seine Farm im Winter wieder unter ukrainischer Kontrolle ist und die Russen sich über den Dnepr zurückziehen.

Anders, aber nicht weniger beeindruckend, ist der Vortrag von Jan Heinicke zur Marktanalyse. Im Moment stünden ihm zufolge eigentlich alle Zeichen auf steigende Preise bei Getreide, Raps und Ölsaaten. Das liege auch an den prognostiziert geringen Erntemengen weltweit. Aber viele Börsenhändler wollen derzeit eher sinkende Preise durchsetzen. Dieser Trend könne sich aber bei weiteren schlechten Nachrichten auch umkehren. Ein großes Problem sieht Heinicke auch in den europaweit sehr knappen Frachtkapazitäten gerade bei Binnenschiffen.

Junglandwirteforum-Mitarbeiter Jan Tappert zieht ein überaus zufriedenes Fazit des Abends: „Seit dem Neustart des Junglandwirteforums im Kreis Borken im letzten Jahr war das hier unsere erfolgreichste Veranstaltung."

Was ist das JunglandwirteForum?

Im Junglandwirte-Forum Westfalen-Lippe organisieren sich kreisweise Gruppen junger Leute, die sich für die Landwirtschaft interessieren. Meistens sind es jüngere Landwirte und Landwirtinnen, die sich in den Kreisen regelmäßig zu interessanten Diskussionsabenden oder Exkursionen treffen, um sich in agrarpolitischen, betrieblichen oder persönlichen Bereichen weiterzubilden. Häufig befinden sie sich in der Ausbildung oder im Studium. Einige führen bereits ihren eigenen Betrieb oder möchten ihn demnächst übernehmen. Die Teilnahme ist kostenlos und an keine Mitgliedschaft gebunden.

Das vierköpfige Borkener Sprecherteam mit Henrike Meyer, Marie van den Berg, Lukas Hüppe und Hendrik Holtkamp freut sich über weitere Interessenten, die bereit wären, Veranstaltungen mit vorzubereiten.