Erntebilanz mit Licht und Schatten – Zukunftsaussichten im Nebel

Pressegespräch in Gronau zur Ernte und Situation in der Landwirtschaft
Die Bauernfamilien im Kreis Borken blicken mit gemischten Gefühlen auf das zu Ende gehende Erntejahr zurück: Beim Getreide, vor allem bei der Gerste, war es insgesamt gut. Beim Mais (lokal mit großen Unterschieden) und noch mehr beim Gras waren die Ergebnisse weniger zufrieden stellend. Seit Mai 2022 ließ die deutlich zu trockene Witterung in Verbindung mit überdurchschnittlichen Temperaturen und Sonnenstunden die Böden stark austrocknen. Beim heutigen Erntebilanz-Pressespräch in Gronau-Epe auf dem Hof der Familie Oing ging es daher auch darum, wie sich die Landwirtschaft in unserer Region auf den Klimawandel einstellt.
Betriebsleiter Christoph Oing beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit neuen Ansätzen, um wassersparend und bodenschonend Ackerbau zu betreiben. Seine Ziele: Bodenleben aufbauen und das Wasserspeichervermögen erhöhen. Vor zehn Jahren hat er beim Ackern erstmals auf den Pflug verzichtet, bei der Feldbestellung setzt er auf Direktsaat-Verfahren. Sprich: Nach der Ernte verzichtet er komplett auf die mechanische Bearbeitung und Lockerung des Bodens. Direkt in die Stoppeln hinein legt er das Saatgut mit einer speziellen Direktsaat-Maschine ab. Der Druck in den Reifen des Schleppergespanns wird auf dem Acker runtergeregelt, um mit einer größeren Auflagefläche eine möglichst geringe Punktbelastung auf die Ackerkrume zu bringen. Nach der Getreideernte im Sommer und vor der Maisaussaat im darauffolgenden Frühjahr steht für ihn immer der Zwischenfruchtanbau. Alles ist darauf ausgerichtet, das Bodenleben zu erhalten und anzuregen. Dies kann man auch auf dem Acker direkt am Hof erkennen, wo die Zwischenfruchtmischung mit 14 verschiedenen Pflanzen in diesen Tagen im besten Aufwuchs steht. Zwischen bunten Sonnenblumen, Phacelia, Klee, Sudangras oder Raps steht als Unkraut auch die Melde: „Deren Samen haben aber bei der geschlossen-begrünten Bodendecke gar keine Chance, aufzugehen." Die Bodenökologie ist so gut, dass sich auf dem Acker Bodenpilze angesiedelt haben und symbiotisch mit den Pflanzen in der Beschaffung der Nährstoffe arbeiten. Kreislandwirt Heinrich Emming sieht in Ansätzen wie diesen eine Reaktion auf die veränderten klimatischen Bedingungen: „Immer mehr Landwirte bauen ihre Kenntnisse und Methoden in Richtung eines regenerativen Ackerbaus aus. Das kann gerade in trockenen Jahren wie diesem einiges ausmachen, denn jede Bodenbewegung kostet 10 bis 30 Liter Feuchtigkeit pro Quadratmeter." Ansätze, die auch in der Beratung immer weiter verfeinert werden, wie Oings Wasserkooperationsberater Josef Rörick betont.
Während die Landwirte ihre Verfahren im Ackerbau (trotz Erschwernissen durch unpraktikable Vorgaben etwa beim Pflanzenschutz) konsequent weiterentwickeln, spüren sie in der Weiterentwicklung ihrer Tierhaltung hauptsächlich Frust. Dies stellte die stellvertretende WLV-Kreisverbandsvorsitzende, Bettina Hueske, in ihrem Statement heute heraus: „Viele unserer Landwirte stehen gedanklich schon lange in den Startlöchern. Wir wollen unsere Tierhaltung weiter entwickeln, uns sind aber die Hände gebunden. Problem ist und bleibt die unklare Perspektive. Lösungsansätze zur Weiterentwicklung der Tierhaltung liegen auf dem Tisch. Offene Fragen zur Genehmigungsfähigkeit wie zur Finanzierung für mehr Tierwohl müssen schnellstmöglich beantwortet werden."
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft im Kreis Borken hat in den letzten Monaten weiter an Tempo zugenommen. Hoffnung macht Hueske die Besinnung auf die eigenen Stärken: „Als deutsche Landwirtschaft haben wir viel zu bieten", sagt die Milchbäuerin aus Südlohn und nennt Beispiele: „Mehr Nachhaltigkeit – auch durch kurze Wege. Mehr Tierwohl. Und eine auch im internationalen Vergleich viel bessere Klimaverträglichkeit und Ressourcen-Effizienz."
Kreis Borkener Ernteergebnisse im Einzelnen
Die Pflanzenbauberater der Kreisstelle Borken der Landwirtschaftskammer NRW haben einen ausführlichen Überblick zu den Ernteergebnissen und -bedingungen zusammengetragen.