Joachim Rukwied fordert Zäsur in der Agrarpolitik
Ein Jahr nach den Bauernprotesten sorgt der DBV-Präsident in Ahaus für ein volles Haus
Über so guten Zuspruch wie seit Jahren nicht durften sich die Macher des Borkener WLV-Kreisverbandstages gestern freuen. Neuer Termin, erstmals abends und in einem zeitlich gestrafften und aufgelockerten Format ging der Kreisverbandstag in diesem Winter über die Bühne. Knapp 500 Besucher waren am 7. Januar in das Kulturquadrat nach Ahaus gekommen. Sicherlich vor allem, um den Hauptredner zu erleben: Joachim Rukwied.
Fast genau ein Jahr nach dem Start in die Aktionswoche der Bauernproteste hatte sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes vom heimischen Ackerbaubetrieb in Eberstadt (Baden-Württemberg) aus auf den Weg ins Münsterland gemacht. Zwischen Bauernprotest-Bilanz, Wirtschaftskrisen-Furcht, Grüner-Woche-Vorfreude und Bundestagswahlkampf traf der Verband damit offensichtlich einen Nerv, was sich neben dem Besucher- auch am Medieninteresse festmachen ließ – unter anderem mit einem ARD- wie auch einem RTL-Filmteam vor Ort.
Ähnlich wie 2012 bei seinem ersten Auftritt bei einem Borkener Kreisverbandstag („Der Spaten, den ich damals als Referentengeschenk von Ihnen bekommen habe, hängt immer noch bei mir im Büro“) zeigte sich der studierte Agraringenieur auch diesmal angriffslustig und motivierend zugleich. Beispielsweise beim Thema Tierhaltung, wo er grundlegende Weichensetzungen anmahnte: „Es geht hier nicht nur um Schräubchen, an denen wir ein bisschen drehen können. Wenn die Landwirtschaft, wenn die Tierhaltung in Deutschland eine Zukunft haben soll, dann braucht es eine Zäsur und den Mut, mit Optimismus und Mut die Herausforderungen anzugehen.“ Dabei stünde der Verband klar zur Verantwortung der Landwirtschaft für Umwelt-, Tier- und Klimaschutz: „Mich nervt es aber, wenn bei allen Punkten sofort von Krise die Rede ist. Da werden Ängste geschürt und Dogmen gemacht, die zu Verboten führen.“ Der Präsident plädierte stattdessen – auch im Sinne der Gesamtwirtschaft – für einen stärkeren Fokus auf Aktivität, Innovation und eine gewisse Risikobereitschaft: „Für uns muss es um die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa gehen. Die haben wir nicht mehr.“
Fachschüler Till Honermann stieß in der anschließenden Talkrunde ins gleiche Horn: „Als junger Landwirt brauche ich für Investitionen vor allem Planungssicherheit.“ Dem Bauernpräsidenten schrieb der Milchvieh-Betriebsnachfolger aus Legden zudem ins Stammbuch, dass die Hauptüberschrift über den Bauernprotesten, der Erhalt des Agrardiesels, nicht geglückt sei. Rukwied bewertete diesen Wettbewerbsnachteil weiterhin im EU-Vergleich als nicht hinnehmbar und sah da mit einer anderen Bundesregierung auch Chancen, dass es zu einer tragfähigen Lösung kommt. Fachschülerin Carola Hetzel aus Bocholt mahnte Rukwied, dass sich der Bauernverband auch in die Bildungspolitik stärker einbringen solle: „Der Fachkräftemangel ist auch schon in der Landwirtschaft spürbar. Dabei haben wir da viel zu bieten. Auch an Grundlagenwissen über Natur und Ernährung insgesamt. Das ist der Ansatz, den wir auch in den Schulen schon stärker vermitteln müssen. Das nahm der Präsident dankend auf und plädierte für eine Aufwertung in Landwirtschaft und Handwerk: „Wir brauchen in Summe wieder mehr junge Menschen, die bereit sind, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen!“ Ein Punkt, bei dem der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Daniel Janning, eine Lanze brach für die Arbeitsmoral und Werte, für die Bauernfamilien stünden: „Wenn Ausbildungsanwärter vom Bauernhof kommen, sage ich meinen Betriebsleitern immer: Die kannst du blind einstellen, die funktionieren.“
Um die – insbesondere für Schweine- und Rinderhalter – besorgniserregende Situation beim Thema Tierseuchen ging es im kurzen agrarpolitischen Bericht von Markus Weiß. Als Kreisverbandsvorsitzender bekannte er sich klar zur Eigenverantwortung der Betriebe, die Biosicherheitsstandards im Blick und in Ordnung zu halten. Aber in Anbetracht der immer näher kommenden Afrikanische Schweinepest rügte er Politik und Handel: „Wir müssen endlich dahin kommen, dass eine Vermarktung intensiv untersuchter und gesunder Tiere und von für uns Menschen ohnehin völlig unbedenklicher Erzeugnisse vorangebracht und möglich gemacht werden.“
Beim Thema BHV1 (Rinderherpes) stellte Weiß – „bei aller emotionalen und finanziellen Härte“ für die Betriebe in der aktuellen Sperrzone in Heek und Ammeln – die wirtschaftliche Wichtigkeit des Freiheitsstatus-Erhalts heraus. Da sei die Vorgehensweise im letzten Jahr mit dem Monitoring aller Rindviehhalter im Nordkreis sicherlich richtig und wichtig gewesen: „Aber wenn wir uns wirklich ehrlich machen wollen, dann führt kein Weg an einem flächendeckenden Monitoring vorbei. Und flächendeckend heißt dann: bundesweit.“ Eine Forderung, der Landrat Dr. Kai Zwicker in der Talkrunde mit der gastgebenden Bürgermeisterin Karola Voss und dem Moderator des Abends, WLV-Kreisgeschäftsführer Jörg Sümpelmann, nur zustimmen konnte: „Es kann nicht sein, dass hier in der Grenzregion strengstens geprüft wird und woanders nonchalant drüber hinweggesehen wird.“
Realitätsnahe und konstruktive Forderungen und Lösungsansätze, das nahm Rukwied auch in seinem Fazit für die Herangehensweise des Bauernverbands in Anspruch: „Meine Vision ist es, das Beste für unsere gut ausgebildete nächste Generation herauszuholen. Diese Jugend braucht Frei- und Gestaltungsräume, braucht Planungssicherheit und Unterstützung durch die Gesellschaft. Wenn wir die Rahmenbedingungen für sie richtig setzen, ist mir um die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland nicht bange.“ Wie auffallend oft an diesem Abend brandete Applaus von den Rängen auf.