Klimawandel | 26. April 2023

Bald Weinlese im Münsterland? - Worauf Bauern sich einstellen sollten

Wie könnte die Landwirtschaft im Münsterland in 50 Jahren aussehen? Werden Tierhalter zu Winzern? Forscher haben sich über diese Fragen in Münster ausgetauscht und ihre Schlussfolgerungen vorgestellt.

Landwirtschaft, Kulturlandschaft, Klimawandel – Die Zukunft der Biodiversität im Münsterland: In einem mehrjährigen Projekt hat das Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die Biodiversität im Münsterland betrachtet. Zusammen mit der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft wurden jetzt die Ergebnisse im Rahmen eines Forums auf Gut Havichhorst bei Münster vorgestellt.

Wissenschaft: Bald Weinlese im Münsterland?

Die Prognose ist für die Forscher des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg (ZALF) durchaus realistisch: Sollten sich die klimatischen Trends weiter so entwickeln, wie die Statistiker es errechnen, wird sich die Agrarregion Münsterland in den kommenden fünf Jahrzehnten so verändern, dass sie den heutigen Verhältnissen in Südfrankreich gleicht. Weinreben, Hartweizen, Gemüse und Melonen sowie Soja könnten auf dem westfälischen Anbauplan stehen.

Wissenschaft trifft Praxis
„Wenn Wissenschaftler arbeiten, dann kostet das nicht nur Forschungsgelder, sondern hat auch Auswirkungen auf die Praxis“, sagte Professor Hans-Ulrich Hensche, Vorstandsmitglied der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft, zur Eröffnung des Diskussionsforums. „Das werden Sie hier heute sehen“, machte er die vielen interessierten Gäste des Symposiums neugierig auf die Fachvorträge. Und er hatte nicht zu viel versprochen.

Landwirtschaft im Klimawandel
Wie verändert sich die Agrarlandschaft im Münsterland, wenn die Temperaturen steigen und Niederschläge sich anders verteilen? Welche Möglichkeiten haben Landwirte, sich auf die sich verändernden Rahmenbedingungen einzustellen? Wie sieht die Zukunft der Biodiversität im Münsterland aus? Sind Nachhaltigkeit und regionale Identität gefährdet? Was könnten geeignete Anpassungsmaßnahmen sein? Wie lassen sich landwirtschaftliche Nutzung, Klimawandel und Schutz der biologischen Vielfalt zukünftig besser in Einklang bringen? Mit Berechnungen, Diagrammen und reichlich Zahlenmaterial präsentierten Dr. Peter Zander, , Claudia Bethwell und Dr. Johannes Schuler vom ZALF sowie Dr. Tobias Conrad vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die verschiedenen Teilprojekte des mehrjährigen Forschungsauftrags.

Hitze und Dürre
„Der Klimawandel ist längst da und schreitet unaufhörlich voran“, machten Dr. Peter Zander und Dr. Johannes Schuler deutlich.  „Nachhaltige Pfade“ seien gefordert, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ein genereller Trend zur Trockenheit sowie eine steigende Verdunstung durch stärkere Sonneneinstrahlung seien zu beobachten. Sorgen machen den Forschern die sinkenden Grundwasserstände. „Es müsste fünf Jahre regnen“, so Zander. Die Landwirte im Münsterland nehmen als sichtbare Veränderungen schon jetzt wahr, dass Sommer- und Frühjahresdürren zunehmen, die Winter eher milder geworden sind und sich Niederschläge anders verteilen. Auch lokal stärkere Regenfälle werden registriert. Die Landwirte reagieren darauf mit verschiedenen Kulturarten und reduzierter Bodenbearbeitung, hat Johannes Schuler in seinen Untersuchungen herausgefunden. Sorgen macht den Landwirten neben den Herausforderungen der Digitalisierung und der hohen Natur- und Tierschutzauflagen insbesondere der Wasserhaushalt und der Erhalt der biologischen Vielfalt.

Wein und Soja im Münsterland
Wie könnte die Münsterländer Parklandschaft in 25 oder 50 Jahren? Anhand von computergestützten Modellen und identifizierter Analogregionen wagten die Wissenschaftler einen Blick in die Zukunft. In etwa 25 Jahren, so Conrad, könnte die Bewirtschaftung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen so aussehen wie in Belgien und dem Norden Frankreichs. Unter klimatischen Bedingungen, die heute in Südfrankreich herrschen, könnten sich die bevorzugten Fruchtarten im Münsterland bis 2080 deutlich verändern. Das zeigt ein Blick in die Regionen Aquitaine und Midi-Pyrénées. Sie gelten als Analogregionen für das Münsterland 2080. Neben Körnermais, Weizen und Dinkel, Sonnenblumen, Gemüse und Melonen könnten in 50 Jahren Weinreben und Soja auf dem Anbauplan des Münsterlandes stehen. „Landwirtschaft muss sich auf den Weg machen, sich jetzt schon anpassen und das Kulturartenspektrum erweitern“, so das Fazit.

Biodiversität in Agrarlandschaften
Wie lassen sich landwirtschaftliche Nutzung, Klimawandel und Schutz der biologischen Vielfalt zukünftig besser in Einklang bringen? Neue Ideen und Ansätze diskutierten die Referenten an verschiedenen Themenstellungen. „Die Biodiversitätsförderung in NRW ist sehr komplex“, machte Elisabeth Verhaag von der Landwirtschaftskammer deutlich und erläuterte die wichtige Rolle der Biodiversitätsberatung in enger Zusammenarbeit mit den Landwirten. „Landwirtschaft ist mehr als nur Nahrungsmittelproduktion“, sagte Tanja Brüggemann (Stiftung Westfälische Kulturlandschaft). Der Förderung der Biodiversität, die die Landwirte umsetzen, komme eine hohe Bedeutung zu. Sie forderte neuartige Verträge zu Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) in hoher Eigenverantwortung der Landwirte und mit deutlich reduziertem bürokratischem Aufwand.

Sonnenernte vom Acker
Der Ausbau der erneuerbaren Energien tritt neben der Nahrungsmittelproduktion immer mehr in Flächenkonkurrenz zur Biodiversität. Die Wechselwirkung zwischen Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen und Artenvielfalt hat Dr. Tim Peschel (Berlin) untersucht. Seine Studien haben ergeben, dass Solarparks bei naturverträglicher Ausgestaltung zu einem deutlich positiven Effekt auf die Artenvielfalt führen können. Entscheidend, so Peschel, sei das Design der Anlagen, insbesondere die Reihenabstände der Modulreihen, sowie die Pflege des Grünlands.

Zukunft bauen mit Artenvielfalt

„Biodiversität und Artenvielfalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die ohne Landwirte nicht lösbar ist“, sagte Susanne Schulze Bockeloh (Vizepräsidentin des DBV) und stellte das Projekt „Zukunfts-Bauer“ vor. „Bei den wichtigen Fragen zu Klima- und Artenschutz sind wir Landwirte die Lösungsanbieter. Mit dem Projekt Zukunfts-Bauer gelingt uns der Brückenbau zu den anderen gesellschaftlichen Gruppen“, betonte sie. Eine „Zeitenwende“ in der Landwirtschaft sei eingeläutet. Es gelte, Mut zu zeigen und Herausforderungen wie die gleichzeitigen Ansprüche von Nahrungsmittelproduktion, Klimawandel, Energieproduktion und den Erhalt der Biodiversität mit neuen Ideen aktiv anzugehen.

Viele Anknüpfungspunkte für eine muntere Diskussionsrunde im zweiten Teil der Veranstaltung. Mit Norwich Rüße (Agrarpolitischer Sprecher Bündnis 90/GRÜNE im Landtag), Michael Uckelmann (Vizepräsident WLV), Ralf Neuhaus (Neuhaus Lighting Group, Werl), Dr. Jörn Krämer (WLV) und Dr. Michael Glemnitz (ZALF) war das Podium hervorragend besetzt. Die Herausforderungen an Landwirtschaft und Gesellschaft sind gewaltig, waren sich die Fachleute einig. „Landwirtschaft hat sich immer verändert und angepasst und ist auch jetzt bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv einzubringen“, sagte Michael Uckelmann. „Wir sind offen für neue Ideen.“