Gute Erträge hoher Preis- und Kostendruck, Forschung unerlässlich
WLV-Präsident Beringmeier: „Pflanzenschutz und -züchtung sind zur Sicherung der Erträge unerlässlich!“
Münster <wlv> Zum Ende der Erntesaison ziehen die Bauernfamilien in Westfalen-Lippe Bilanz: Nach guten Aussaat- und Aufwuchsbedingungen mit milden Temperaturen im Herbst und Winter 2024/2025 war das Frühjahr zeitweise durch starke Trockenperioden geprägt. Der Regen im April kam demnach für die meisten Regionen gerade noch zur rechten Zeit, um die Bestände mit Weizen, Roggen, Triticale und Sommergetreide weiter gedeihen zu lassen. Die Witterungsverhältnisse ab Anfang Juli sicherten dann insgesamt eine trockene Einfuhr des Getreides, sodass im Gegensatz zum Vorjahr kaum Lagergetreide zu verzeichnen ist.
Gute Erträge mit deutlichen Zuwächsen im Vergleich zum Vorjahr
„Beim Getreide zeigen sich regionale Unterschiede bei Erträgen und Qualitäten, die auf die divergente Bodenstruktur und Witterungsbedingungen in Westfalen-Lippe zurückzuführen sind. Insgesamt verzeichnen wir beim Getreide ordentliche bis gute Erträge mit deutlichen Zuwächsen im Vergleich zum feuchten Vorjahr. Die Erntemenge liegt sogar über dem 5-Jahres-Mittel,“ zog Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV e.V.), im Rahmen der diesjährigen Ernte-Pressekonferenz auf dem Betrieb von Philipp und Marion Beckhove in Ottmarsbocholt (Kreis Coesfeld) Bilanz. „Gleichzeitig sind die Qualitäten mit geringen Proteingehalten vielerorts eher schwach. Das Getreide wird damit vorrangig als Futtermittel Verwendung finden und weniger als Brotgetreide zur Verfügung stehen. Die Situation auf dem Weltmarkt ist durch das hohe Angebot zusätzlich angespannt, mit in der Folge niedrigem Preisniveau, sodass die Ackerbauern mit ihren Erzeugnissen aktuell nicht auskömmlich wirtschaften können,“ so Hubertus Beringmeier weiter.
Sonderkulturen mit durchschnittlichen Erntemengen bei guten Qualitäten
Mit Blick auf die Sonderkulturen Erdbeeren und Spargel zeigen sich westfalenweit durchschnittliche Erntemengen bei guten Qualitäten. Gestiegene Lohnkosten infolge des Mindestlohns führten insgesamt aber zu einer Reduzierung der Anbauflächen. Auch im Bereich des Öko-Anbaus sind die Erträge und Qualitäten zufriedenstellend. Trotz weiterhin hoher Nachfrage stellen in NRW derzeit nur wenige Betriebe auf Ökolandbau um – hohe Kosten der Umstellung dürften dafür ursächlich sein. Die Ernte von Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln steht noch an bzw. ist bisher nicht abgeschlossen und erfolgt ab September. Die Anbaubedingungen waren insgesamt gut, die bisherigen Ernteprognosen unterscheiden sich regional.
Pflanzenschutz und Pflanzenzüchtung unverzichtbar
Mit einer Anbaufläche von 151.800 Hektar ist der Weizen das dominierende Getreide in Westfalen-Lippe. Mit einer durchschnittlichen Einfuhr von 8,7 Tonnen pro Hektar liegt der Ertrag 21,3 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahres. Auch Roggen mit 6,9 Tonnen/Hektar (+19,8 % gegenüber dem Vorjahr) und Triticale mit 7 Tonnen/Hektar (+ 10,2 % gegenüber dem Vorjahr) erzielten deutlich positivere Erträge als im Jahr 2024. Die vergleichsweise schwachen Qualitäten zeigen nach Einschätzung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes die enorme Bedeutung des Pflanzenschutzes sowie der Pflanzenzüchtung auf. Demnach sind ein effektiver Pflanzenschutz und die bedarfsgerechte Düngung sowie der Rückgriff auf die Züchtung entscheidende Werkzeuge des Pflanzenbaus, die im Ackerbau vielfältig und flexibel zur Verfügung stehen müssen.
Der geringere Proteingehalt des Getreides sei nachweislich auf die Reduzierung des Düngebedarfs um 20 Prozent zurückzuführen. „Landwirtschaft will und wird den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter minimieren. Die strengeren Regelungen der Düngeverordnung in roten Gebieten halten wir aber für zu allgemein und fordern dringend eine einzelbetriebliche Betrachtung – insbesondere anhand der Nährstoffsituation und Standortverhältnisse eines jeden Betriebes“, macht Hubertus Beringmeier deutlich. „Pauschale Pflanzenschutzverbote lehnen wir strikt ab. Vielmehr werden neue Wirkstoffe benötigt, um Resistenzen vorzubeugen und weiterhin die hohen Qualitätsanforderungen im Ackerbau erfüllen zu können. Pflanzenschutz und -züchtung sind zur Sicherung der Erträge unerlässlich und zwingende Voraussetzung für sichere und gesunde Lebensmittel“, so Beringmeier weiter.
Situation auf den Getreidemärkten
Aufgrund der Situation auf den Getreidemärkten ist die Lage auf den Ackerbau-Betrieben in Westfalen-Lippe angespannt: Durch hohe Mengen auf dem Weltmarkt sind die Getreidepreise weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Der internationale Wettbewerb erhöht den Preisdruck zusätzlich. Weil die Betriebsmittelkosten – insbesondere für Diesel, Dünger, Energie – weiterhin hoch sind, ist der Ackerbau nach Einschätzung des Bauernverbandes weiterhin unterhalb der Kostendeckung und wirtschaftlich nicht tragfähig.
Bei den tierischen Erzeugnissen ist die Marktlage aktuell hingegen zufriedenstellend, bei einer guten Nachfrage auf dem Fleischmarkt und einem Milchpreis von rund 50 Cent pro Liter. Die Tierhalterinnen und Tierhalter in Westfalen-Lippe treiben derzeit im Kern zwei Themen um: Das aktuelle Seuchengeschehen, insbesondere der Afrikanischen Schweinepest im Raum Südwestfalen, führt auf den Betrieben zu erhöhter Wachsamkeit und verstärkter Umsetzung von Maßnahmen zur Biosicherheit. „Der Schutz unserer Tiere vor einem Seucheneintrag hat oberste Prämisse, wir ergreifen alle denkbaren Maßnahmen, um die Tiergesundheit sicherzustellen,“ machte Hubertus Beringmeier im Rahmen der Pressekonferenz in Ottmarsbocholt deutlich.
Zur Weiterentwicklung der Tierhaltung und zur Förderung des Tierwohls sieht Hubertus Beringmeier, der im Deutschen Bauernverband auch Veredlungspräsident ist, die Politik in der Verantwortung: „Der Umbau der Tierhaltung gelingt nur, wenn alle Betriebe – ohne Ausnahme – Zugang zu einem finanziell angemessenen Förderprogramm haben. Die heimische Tierhaltung muss durch tragfähige Konzepte und durchdachte Förderprogramme gestärkt und dadurch die Investitionsbereitschaft für den Umbau der Tierhaltung erhöht werden.“
Politische Forderungen
Dem neuen Bundeslandwirtschaftsminister attestiert Beringmeier einen guten Start. Themen wie Agrardiesel, Stoffstrombilanz und Wolf setzen demnach gute Akzente der neuen Regierung. Zeitnah erhoffe sich der Berufsstand den versprochenen Vorstoß zum Bürokratieabbau sowie die Einführung einer Risikoausgleichsrücklage. Abschließend bilanzierte der westfälische Bauernpräsident: „Westfalen-Lippe ist und bleibt eine Gunstregion. Wir erzielen hierzulande Erträge, die regional und global von großer Bedeutung sind. Damit das in Zeiten des Klimawandels so bleibt, bieten Pflanzenschutz und Pflanzenzüchtung für uns wirksame Instrumente zur Sicherung von Erträgen und Qualitäten, die von politischer Seite sichergestellt und gefördert werden müssen. Auch hinsichtlich der Weiterentwicklung der Tierhaltung ist die Politik gefragt, unseren Betrieben echte Perspektiven zu bieten, die langfristige und tragfähige Finanzierungskonzepte umfassen.“
Hof Beckhove: Künstliche Intelligenz und Landwirtschaftliche Ausbildung als Zukunftsfelder
Die Gastgeber der diesjährigen Ernte-Pressekonferenz, Marion und Philipp Beckhove, haben ihren Familienbetrieb in den vergangenen Jahren bereits stetig weiterentwickelt. Neben Ackerbau und Schweinemast werden auf dem Hof seit 2007 in mittlerweile vier Ställen Masthähnchen gehalten. „Durch moderne Technik mit 48 Kameras werden die Masthühner permanent beobachtet und ihre Bewegungsmuster analysiert. Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz treffen wir Schlussfolgerungen zum Temperatur-Empfinden, der Gesundheit, Fütterung und Gewichtsentwicklung der Tiere. KI hilft uns, die Tiergesundheit jederzeit im Blick zu behalten und das Tierwohl kontinuierlich zu verbessern“, erklärt Betriebsleiter Philipp Beckhove.
Doch der Hof steht nicht nur für Fortschritt, sondern auch für Nachwuchsförderung: Seit zwei Jahrzehnten werden hier junge Landwirtinnen und Landwirte ausgebildet. Etwa 40 Auszubildende haben bisher ihren Berufsweg auf dem Hof Beckhove begonnen. Die Nachfrage ist groß – bis 2028 sind die Ausbildungsplätze bereits vergeben. Die landwirtschaftliche Ausbildung ist etwas Besonderes: Alle drei Ausbildungsjahre verbringen die Auszubildenden auf unterschiedlichen Betrieben. So sammeln sie vielfältige Erfahrungen. „Für mich ist die Arbeit als Ausbilder bereichernd und unerlässlich für die Zukunft unserer Branche,“ so Philipp Beckhove.