Neue Bundesregierung muss Weichen für Agrarpolitik stellen
Beringmeier: „Betriebe brauchen echte Entlastungen und Investitionsimpulse!“
Münster <wlv> Der diesjährige Havichhorster Presseabend, zu dem der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV e.V.) nach Münster geladen hatte, stand im Zeichen der anstehenden Bundestagswahl. Nach Einschätzung von WLV-Präsident Hubertus Beringmeier fehle es weiterhin an politischen Rahmenbedingungen und langfristigen Finanzierungskonzepten, die den landwirtschaftlichen Betrieben Zukunftsperspektiven aufzeigen und sie im internationalen Wettbewerb stärken. „Stattdessen mussten wir Verschärfungen der Gesetzeslage feststellen, die weit über europäische Vorgaben hinausgehen und nicht notwendige nationale Sonderwege darstellen. Daraus ergeben sich zusätzliche bürokratische Lasten für tierhaltende Betriebe und Ackerbauern, ohne Zusatznutzen für den Tierschutz oder den Umweltschutz“, monierte Beringmeier am Montag auf Gut Havichhorst. Demnach setzen Veränderungen, etwa mit Blick auf die Wertschöpfung und das Tierwohl, wirtschaftliche Tragfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt voraus. Hohe Belastungen durch Bürokratie, überzogene Kontrollen und Regularien stünden dem entgegen. „Gerade deshalb ist die künftige Bundesregierung gefragt, den Landwirtinnen und Landwirten und den Menschen im ländlichen Raum gute und durchdachte Rahmenbedingungen zu bieten, die über eine Legislaturperiode hinausreichen. Sie muss die Weichen für die künftige Agrarpolitik stellen“, machte Hubertus Beringmeier deutlich.
Drei Kernanliegen an die Politik
Durch Bürokratie, nicht sinnvolle Kontrollen und Regularien und vor allem durch nationale Sonderregelungen war die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft zuletzt kontinuierlich unter Druck geraten. „Dadurch wird unsere Landwirtschaft im europäischen Wettbewerb zunehmend geschwächt. Wir brauchen ein umfassendes Bürokratieentlastungs- und Wettbewerbsstärkungsprogramm – mit tragfähiger Lösung beim Agrardiesel, praktikablen Regelungen im europäischen Gleichklang sowie einer Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren. Wir würden es begrüßen, wenn von der künftigen Bundesregierung ein gemeinsames Ministerium für Landwirtschaft und Umweltschutz eingerichtet wird, um die verschiedenen Interessen künftig besser miteinander in den Einklang zu bringen“, hob Beringmeier ein zentrales Anliegen des Berufsstandes hervor. Darüber hinaus sei die künftige Bundesregierung gefragt, ein inhaltlich und finanziell tragfähiges Gesamtkonzept für die Weiterentwicklung der deutschen Tierhaltung zu etablieren, um in allen Produktionsrichtungen einen substantiellen Anteil der heimischen Erzeugung zu sichern. Steuer- und Abgabenlasten, die in die Substanz der Betriebe eingreifen, lehnt der Verband ab. Vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl bietet der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband all jenen die verstärkte Zusammenarbeit an, die sich dem demokratischen Rechtsstaat verpflichtet fühlen.
Marktlage: Auskömmliche Preise in der Tierhaltung, Getreidepreise auf niedrigem Niveau
Nach herausfordernden Jahren in der Tierhaltung befinden sich die Preise derzeit insgesamt auf einem soliden Niveau, was zu einer spürbaren Entspannung der wirtschaftlichen Lage der tierhaltenden Betriebe im Vergleich zu den Vorjahren führt. So hatte sich der Schweinemarkt zuletzt in 2024 weiter beruhigt, in der Folge konnte auch ein leichter Anstieg des Schweinebestandes verzeichnet werden. Auch für 2025 erwartet der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband eine stabile Marktlage im Bereich Schwein. Das gesunkene Angebot auf dem Rindermarkt bedingte bei stabiler Nachfrage überdurchschnittliche Preise. Für 2025 rechnet die Branche mit einer stabilen bis leicht steigenden Nachfrage nach Rindfleisch und einem möglichen Pro-Kopf-Verzehr von 9,1 kg. Ähnlich zeigt sich der Geflügelmarkt stabil und wachstumsorientiert. Im neuen Jahr wird eine Fortsetzung der positiven Entwicklung erwartet, angetrieben von Verbraucherpräferenzen für tierwohlorientierte Haltung und regionale Produkte.
Aufgrund von anhaltend hoher Nachfrage und geringeren Beständen geht der westfälisch-lippische Landwirtschaftsverband davon aus, dass sich die Preise für Milchprodukte im Jahr 2025 weiter auf einem hohen Niveau bewegen werden. Die globalen Getreidemärkte durchlaufen nach den Rekordpreisen von 2022 eine schwierige Phase, geprägt von sinkenden Erzeugerpreisen und einer der schwächsten EU-Weizenernten der letzten Jahre. „Die Märkte bleiben von verschiedenen Risikofaktoren geprägt: Extremwetterereignisse, volatile Markt- und Betriebsmittelpreise und geopolitische Spannungen, insbesondere in der Schwarzmeerregion.
Die Preise für Getreide befinden sich derzeit auf einem niedrigen Niveau, was für reine Ackerbaubetriebe zu Einkommenseinbußen führt“, betonte Michael Uckelmann, WLV-Vizepräsident, die Herausforderungen im Ackerbau. Schwierige Witterungsbedingungen machten sich auch auf den Betrieben mit Gemüse- und Obstanbau deutlich bemerkbar. Insgesamt fielen die Erntemengen in 2024 deutlich geringer aus. Nach dem Rückgang 2022 und der Stagnation 2023 zeigt sich auf dem Ökomarkt 2024 eine Aufwärtsentwicklung. Das Wachstum liegt unter den 20 Prozent des Jahres 2020, nähert sich aber den durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten der 2010er-Jahre von sieben bis acht Prozent an.
Aktuelles Seuchengeschehen bereitet Tierhaltern große Sorgen
Obwohl die Marktsituation für tierische Produkte sich insgesamt zufriedenstellend darstellt, sind die Tierhalterinnen und Tierhalter in Westfalen-Lippe aufgrund des aktuellen Seuchengeschehens in großer Sorge um ihre Tiere und fürchten in der Folge auch schlechtere Absatzmöglichkeiten. Das Jahr 2024 war geprägt durch mehrere Tierseuchen, die sich teils regional, teils aber auch über Staatsgrenzen hinweg ausbreiteten. In der Folge ergaben sich hohe wirtschaftliche Einbußen für tierhaltende Betriebe. „Auf unseren Betrieben hat die Biosicherheit bei der Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest, der Blauzungenkrankheit, des BHV1-Virus und der Vogelgrippe oberste Prämisse. In der vergangenen Woche hat sich zudem der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in einem Bestand von Wasserbüffeln in Märkisch-Oderland (Brandenburg) bestätigt. Wir sind darauf angewiesen, dass Vermarktungswege aufrecht erhalten bleiben und die Seuchen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung eingedämmt werden. Dazu brauchen wir den Schulterschluss mit Politik und Wirtschaft“, betonte Henner Braach, WLV-Vizepräsident. Nach Einschätzung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes sind durch den Klimawandel und daraus resultierende höhere Temperaturen in Europa künftig weitere Tierseuchen erwartbar, deren Ausbreitung durch die Globalisierung noch begünstigt werde.
Positiver Blick in die Zukunft: Innovative Konzepte tragen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und naturschutzrechtlichen Ansprüchen Rechnung
Die Stimmung im Berufsstand ist aufgrund anhaltend hoher Betriebskosten, gestiegener Klimarisiken und durch falsche politische Rahmenbedingungen weiterhin verhalten. Die WLV-Verantwortlichen blicken trotz herausfordernder Bedingungen positiv in die Zukunft. „Wir setzen auf eine neue Agrarpolitik nach der Bundestagswahl mit echten Entlastungen und Investitionsimpulsen. Unser größtes Pfund sind unsere Köpfe. Wir haben eine Vielzahl an Landwirtinnen und Landwirten, die ihre Betriebe weiterentwickeln möchten und dazu gute und überzeugende Konzepte haben. Gleichzeitig steht ein hervorragend ausgebildeter Nachwuchs in den Startlöchern, um auf den Betrieben einzusteigen“, machte Hubertus Beringmeier deutlich. Umso wichtiger sei es, nun die richtigen Weichen für die künftige Agrarpolitik zu stellen. Auf den Betrieben gibt es nach Einschätzung des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes viele Möglichkeiten, die Betriebe weiterzuentwickeln – abhängig von den Gegebenheiten vor Ort und den persönlichen Präferenzen. „Bei allen Ansätzen und Konzepten gilt es, Ökonomie und Ökologie in Übereinklang zu bringen – das ist unser Anspruch, den wir in 2025 weiter forcieren“, unterstrich Hubertus Beringmeier.